Im Bereich der Populärmusik spielen Fans seit eh und je eine wichtige Rolle. An sich ja etwas Schönes: man findet Gefallen am Werk eines Künstlers und den Idealen, die dieser vertritt, verlinkt sich mit Gleichgesinnten und schöpft im besten Fall sogar neue Kraft nach tristen Zeiten. Doch Obacht, denn ein solcher Ausdruck der Wertschätzung kann auch in blinde Verehrung umschwenken. Das Internet ist geradezu zu einer Zuchtstätte für diese moderne Form des Personenkults verkommen. Der Begriff „Stan Culture“, der auf den gleichnamigen Eminem-Song über einen obsessiven Fan zurückgeht, umschreibt dieses vor allem in sozialen Netzwerken präsente Phänomen. Man zieht sich in abgeriegelte Filterblasen zurück, in denen tagein, tagaus dem Idol gehuldigt wird. Wehe aber, es strömt Kritik von außen hinein, dann ist Schluss mit lustig. „Bienenschwarm“ (Amazon Prime), die neue Serie von Janine Nabers und Tausendsassa Donald Glover (machte der Fernsehwelt bereits mit „Atlanta“ ein großes Geschenk), veranschaulicht diese Form der Star-Anhimmelung auf besonders drastische Weise.
Seit sie denken kann, ist Andrea, genannt „Dre“ (Dominique Fishback: außergewöhnlich), vernarrt in die Pop-Sensation Ni’Jah, in deren Ehren sie sogar einen eigenen Twitter-Account betreibt. Doch was einst als einfaches Fantum eines leicht zu beeindruckenden Teenies begann, steuert seit einer Weile auf eine krankhafte Obsession zu. Nach einer traumatischen Erfahrung kippt diese sogar in mörderische Gefilde. Der Anfang einer nicht blutarmen Odyssee, welche die junge Frau durch verschiedene Bundesstaaten begleitet. Alles frei nach dem Motto: keine Macht den Hatern, oder so.
Parallelen zwischen der innerhalb der Handlungsebene zum Objekt der Begierde erhobenen Sängerin und einem schwer zu überschaubaren Realvorbild sind gewiss kein Zufall. Das perfektionistische Auftreten, die gottgleiche Heroisierung, der verblüffend ähnliche Name der Fangemeinde (anstelle des „Bey-hive“ ist es der titelgebende „Swarm“): dass es sich hier um eine Karikatur von keiner Geringeren als Beyoncé handelt, ist schwer von der Hand zu weisen. Herrlich überspitzt wird die sektenhafte Adoration von prominenten Beispielen dieser Größenordnung aufs Korn genommen. Es kommt nicht von irgendwo, dass ausgerechnet Paris Jackson, die Tochter des „King of Pop“, und Gen-Z-Ikone Billie Eilish Gastauftritte in der Serie zuteilwurden – stehen ja beide Künstlerinnen mit Schicksalen ähnlicher Art verbandelt. Doch auch abseits der satirischen Grundlage entpuppt sich „Bienenschwarm“ als verspielte Wundertüte mit lebhaftem Witz, Originalität und wendungsreicher Pointen ohne Ende. Ein faszinierender Genre-Mischmasch, der bedenkliche Social-Media-Verhaltenstypen präzise unter die Lupe nimmt. Gleichermaßen beängstigend wie brillant.
Bewertung: ★ ★ ★ ★ ☆ (4/5)
"Bienenschwarm" ist auf Amazon Prime zu sehen.
Christian Pogatetz