Der Fall der Candy Montgomery versetzte in den frühen Achtzigerjahren eine gesamte Kleinstadt in Angst und Schrecken. Die auf den ersten Blick unscheinbare Hausfrau wurde beschuldigt, ihre Nachbarin und gute Freundin Betty Gore in ihrer Heimat im texanischen Wylie grausam ermordet zu haben – mit 41 Axtschwüngen. Schlussendlich wurde Montgomery, die lange Zeit ein geheimes Verhältnis mit dem Ehemann der Verstorbenen pflegte, vor Gericht freigesprochen. Ein zweifelhaftes Urteil, das in die Annalen der Kriminalgeschichte einging und auch Einzug in die auf Serienkiller versessene Popkultur fand.
In der Miniserie "Candy" (Disney+) wird der mysteriöse Mordfall noch einmal aufgerollt, wenngleich selbstverständlich auf dramatisierte Weise. Die fünf knapp 50 bis 60 Minuten langen Episoden schenken den unterschiedlichen Protagonisten genügend Freiraum und sorgen für Vielfalt bei den Perspektiven. Mit nüchternem Blick und ohne erhobenen Zeigefinger wird versucht zu ergründen, wie eine solche Schreckenstat überhaupt zustande kommt. Während die erste Folge gleich ans Eingemachte geht und den Tag des Mordes nachzeichnet, wird in den anderen Folgen über Flashbacks in die Vergangenheit geblickt. Mittels raffiniert platzierter Stilmittel ergibt sich ein unbequem atmosphärisches Stimmungsbild, vor dem selbst ein Alfred Hitchcock den Hut ziehen würde.
Selbst wenn der Spannung zwischendrin ein wenig die Luft ausgeht, gelingt es der beeindruckenden Darstellerriege, die eine oder andere dramaturgische Schwäche gekonnt zu kaschieren. Jessica Biel gibt in der titelgebenden Hauptrolle eine überaus glaubhafte Figur ab und bewegt sich irgendwo zwischen erschreckender Psychopathie und sympathischem Südstaaten-Charme. Ihr gegenüber steht die nicht minder überzeugende Melanie Lynskey, die als Mordopfer Betty Gore einen warmen und ruhigen Gegenpol darstellt. True-Crime-Fernsehen der spannendsten Sorte.
Bewertung: ★ ★ ★ ★ ☆ (4/5)
"Candy" ist auf Disney+ zu sehen.
Christian Pogatetz