Die Queen, sie hat es nicht leicht. Oder anders gesagt: Erstens wird es mit der Zeit nicht leichter, und zweitens wird man mit der Zeit nicht leichter. So rund drei Kilo sind es schon, die das britische Oberhaupt im Vergleich zum Jahr davor zugelegt hat, wie der Leibarzt der Königin sehr sachlich feststellt. Persönlich näher wird man Elizabeth II. in der fünften Staffel des Netflix-Hits "The Crown" nicht kommen. Das bisherige Naheverhältnis, das man als TV-Untertan in den ersten vier Staffeln zum Oberhaupt der royalen Firma hatte, ist merklich abgekühlt.

Die quirlig sympathische Claire Foy eroberte als junge Königin die Herzen im Sturm, während Olivia Colman die resolute, gefestigte Herrscherin mit einer guten Portion Humor gab. Nun also Imelda Staunton. Und sie gibt eine Queen, mit der man als Serienfan möglicherweise fremdelt. Das ist insofern nicht unamüsant, da die Serie mehr denn je ob ihrer Vermischung von Fiktion und Realität in die Kritik gerät. Denn die Queen, die Staunton darstellt, entspricht durchaus der Außenwahrnehmung, die man von der Monarchin in den 1990er-Jahren hatte: Der Fels in der Brandung, also der sehr kalte Fels in der Brandung. Nicht zuletzt, weil ihre Schwiegertochter Diana ihr in Sachen öffentlicher Empathie und Anteilnahme um Lichtjahre voraus war. Das mag nun stark von dem Bild abweichen, das zuletzt rund um ihren Tod um die Welt ging.

Nachvollziehbar also, dass im Vorfeld schon die Wogen hochgingen. Ex-Premier John Major, der in der fünften Staffel mehrfach vorkommt, bezeichnete die Serie in der "Times" als "schädliche und böswillige Fiktion". Schauspielerin Judi Dench spricht von "grober Sensationsgier". Dass Netflix die Serie zum ersten Mal als "fiktive Dramatisierung" bezeichnet, hat aber nicht nur mit den prominenten Stimmen im Vorfeld zu tun, die gab es immer. Für Mastermind Peter Morgan wird der Paarlauf von Fakt und Fiktion zunehmend schwieriger, weil die Geschehnisse rund um Charles und Diana einem großen Teil des Publikums vielfach noch in Erinnerung sind.

Dass Charles gleich zu Beginn immer schön dezent am Sessel seiner Mutter sägt, dürfte – ob Fakt oder Fiktion – dem künftigen König also nicht allzu sehr gefallen. Ansonsten kommt der Prince of Wales, gespielt von Dominic West, trotz der Diana-Causa erstaunlich gut weg – auch, weil seine Wohltätigkeitsstiftung für Jugendliche, "The Prince's Trust", durchaus prominent beleuchtet wird. Auch sein Tampon-Telefongeturtel mit Camilla Parker Bowles war in der Realität sogar peinlicher, als es hier umgesetzt wurde.

Und natürlich kommt man um Elizabeth Debicki nicht herum: Die Australierin ist so nah an Diana dran, dass es bei einigen Szenen fast schon mehr eine Überzeichnung ist – naiver Augenaufschlag von unten inklusive. Das Scheitern der Beziehung, die setzt Morgan ziemlich konservativ um und lässt Diana und Charles das bereits hinlänglich Bekannte absolvieren. Da sind Morgans Blicke auf die Ehe der Queen und Prince Philip spannender. Das Auseinanderleben in einem ohnehin eng gesteckten goldenen Käfig und die Pflichterfüllung der Queen, die hier voll durchschlägt, das inszeniert Morgan in der klassischen "The Crown"-Manier.

Bisweilen sind die inhaltlichen Side-Steps, die Morgan in der fünften Staffel auffährt, spannender als der Hauptstrang, darunter etwa die Genese der Karriere von Mohamed Al-Fayed, dessen Sohn Dodi mit Diana beim Unfall in Paris starb. Der schwerreiche Ägypter, der damals das Hotel Ritz in Paris und die Londoner Kaufhausinstitution Harrods kaufte, wollte mit allen Mitteln die Aufmerksamkeit der Royals auf sich ziehen. Morgan inszeniert diese Bemühung mit viel Witz, um eine Eigenschaft der Royals besonders schön herauszuschälen: "Die Firma", wie sich der innere Kreis der Windsors so schön nennt, zieht am liebsten die Zugbrücke hoch und flutet den Burggraben. Wer es doch hineinschafft, der muss nicht nur einmal das Knie beugen. Oder wie es der Serien-Prinz Andrew in der Serie so schön auf den Punkt bringt: "So sind wir in dieser Familie, wir zerstören alles, was anders ist." Harry und Meghan würden sagen: Fiktion? Wo ist da die Fiktion?

"The Crown" ist auf Netflix zu sehen

Bewertung: ★ ★ ★ ☆ ☆ (3/5)