"Jetzt bin ich ledig, und es geht mir gut“, sagt Anne Elliot (Dakota Johnson) mit ein bisschen zu viel Nachdruck, und der gleichzeitige Griff zur Weinflasche offenbart die Mischung aus Trotz und Selbstlüge. Acht Jahre zieht sie das jetzt durch, nachdem sie auf Drängen ihrer Familie Frederick Wenthworth (Cosmo Jarvis) den Laufpass gegeben hat. Finanziell nicht so gut situiert, würde man im Sinne einer Ratingagentur sagen: Der Mann ist eine „BBB-“, mehr ist nicht drinnen. Acht Jahre später ist er ein hochdekorierter Captain, was ihn folglich zu einer „AAA+“ macht. Die Geschichte ist bekannt, „Persuasion“ (oder „Überredung“) ist eine der geläufigsten Geschichten von Jane Austen, ein Spätwerk.

Dass der am Freitag (15. Juli) anlaufende Film mit Dakota Johnson bei Netflix gelandet ist, ist keine Überraschung, sondern nur logisch. Denn der Streamer mit der Serienumsetzung der gleichnamigen Romanreihe „Bridgerton“ von Julia Quinn hat ordentlich Zugriffe generiert: Die Staffeln eins und zwei reihen sich hinter der vierten Staffel von „Stranger Things“ ein, damit zählt die Serie zur zweiterfolgreichsten englischsprachigen Serie des Dienstes.  Mit Rüschen, Romantik und Regelkonformität lässt sich in einer Welt punkten, in der sich das Individuum bisweilen zwischen all den Wahlfreiheiten verliert.



Im Kosmos von Jane Austen sind die Koordinaten hingegen eng gesteckt: Die Frau durchläuft inmitten romantischer Irrungen und Wirrungen eine Art Läuterungsprozess, Happy End! Und schon wie bei „Bridgerton“ ist auch „Überredung“ eine RomCom im viktorianischen Gewand. Dakota Johnson gibt als Hauptfigur die süffisante Erzählerin, die sich gleichsam direkt an das Publikum wendet. Sie ist keine leidende unverheiratete alte Jungfer, sondern gibt die reflektierte Kommentatorin einer Welt, in der die Ehe ein Handel ist, bei dem die Frau schlichtweg keine Mitsprache hat. Gesellschaftskritik wird mit Überzeichnung geübt und kommt hier nur in Spuren vor.

Der zentrale rote Faden, die neuerliche Begegnung mit Frederick Wenthworth und das Erstarken der mühsam unterdrückten Liebe, wird hier – im Vergleich zu anderen Umsetzungen des Stoffes, wie etwa 2007 mit Sally Hawkins – ohne viel Drama und überbordenden Leidensdruck abgehandelt. Fast so, als möchte man die den Film durchziehende Leichtigkeit nicht verscheuchen. Letztere überträgt sich spielerisch auf das diverse Ensemble, das leider nicht gänzlich überzeugt.
Während Dakota Johnson die Figur der Anne Elliot stimmig neu interpretiert, bleibt Cosmo Jarvis als Frederick Wenthworth seltsam hölzern und distanziert. Vielleicht fürchtet er sich vor dem Karrierebooster RomCom, wie es Rege-Jean Page bei der ersten Staffel von „Bridgerton“ ergangen ist. Nach seiner leidenschaftlichen Performance als Duke of Hastings war das Publikum Feuer und Flamme. Für Page offenbar zu viel entflammt, er hat sich nach dem Hype noch vor der zweiten Staffel aus „Bridgerton“ verabschiedet.

„Überredung“ ist ab Freitag auf Netflix zu sehen.