Lässt man einmal die schrille Glitzerwelt beiseite, die ohnehin genug dunkle Schatten wirft, dann bleibt eine Erzählung im Biopic „Jennifer Lopez: Halbzeit“ dröhnend im Raum stehen. Es ist Ben Affleck, der einen Dialog mit Jennifer Lopez wiedergibt und der sich auf ihre permanente Verunglimpfung im Netz, in Klatschblättern und in Talkshows bezieht und die dabei eine ganze Reihe von Rassismen abspulen: J.Lo, die Latina, die mit den vielen Typen und dem runden Hintern. Die, die immer in Liebeskomödien spielt und, äh, kann die überhaupt singen? Ben Affleck fragt sie also: „Stört dich das nicht? Und sie sagt: Ich bin Latina und eine Frau, das war zu erwarten. Du rechnest nicht mit so etwas, du erwartest, fair behandelt zu werden.“
Man braucht kein Mitleid mit Jennifer Lopez zu haben, das ist nicht die Intention der Doku. Sie ist ein Weltstar mit einem enormen Einflussradar – als sie vor mehr als 20 Jahren bei den Grammys das heute als „Dschungel-Kleid“ bekannte Versace-Outfit trug, war das die Initialzündung für Google, Suchergebnisse nicht nur als Text, sondern auch als Bild zu zeigen. Zu viele wollten dieses Kleid sehen, aber Google konnte nicht liefern. Aber sonst dann doch viel: 1.500.000.000 Ergebnisse spuckt die Suchmaschine aus, wenn man ihren Namen sucht.
Wie schon bei Taylor Swift oder Lady Gaga ist diese Doku auch ein Manifest der Selbstermächtigung. Ja, es gibt Durchhalteparolen und Sätze wie „Ein Nein ist keine Antwort, sondern eine Chance“, aber das ist bei diesen Dokus systemimmanent. Der rote Faden allerdings, der ist ein anderer und er schlängelt sich ganz dezent durch Rückblicke auf Kindheit, Jugend, Vorbereitungen für die Halftimeshow der Superbowl 2020 und den Jubel über ihren Film „Hustler“. Es ist die Politisierung von Jennifer Lopez, die von sich behauptet: „Ich war nie sonderlich politisch.“ Bis Donald Trump Präsident wurde. Immigranten aus Mittel- und Südamerika, die wie Verbrecher behandelt und von ihren Kindern getrennt wurden. Kein Erweckungserlebnis, aber vielleicht eine Besinnung auf die Möglichkeiten, die ein Star ihrer Größenordnung hat. Selbst ihre Choreografie der Superbowl ist eine Kritik an der Einwanderungspolitik, und sie zieht die Show durch, trotz NFL-Kritik von oberster Stelle.
Doch da ist noch ein roter Faden, der durchschimmert: Die Frau zu sein, die nach 20 Jahren wieder für einen Golden Globe nominiert wird – für „Hustler“, über zwei Stripperinnen, die ihre Kunden abzocken. Lopez in der Hauptrolle und als Produzentin von der Kritik gefeiert, aber dann doch leer ausgegangen und bei den Oscarnominierungen übergangen. Daran knabbert sie gewaltig, das lässt sich nicht verbergen. Aber es sind nicht die persönlichen Befindlichkeiten eines Stars, die diese Doku in ihrer Essenz ausmachen, sondern es ist Jennifer Lopez dabei zuzuschauen, wie sie die politische Vorkämpferin in sich entdeckt.