Das mit der Hypnose? Das ist doch alles für die Fisch! Die werte Ärztekollegenschaft war vermutlich schon charmanter, wobei, in Wien? Lächerlich! Der junge Sigmund Freud hatte es in seinen 30ern nicht leicht, zumindest bei den Fischen kannte er sich doch aus: Zehn Jahre zuvor forschte er in Triest an den Hoden des Aals, um das große Rätsel rund um das glitschige Tier zu lösen. Fehlanzeige, zumindest Freud hat sich seine Ecken und Kanten bewahrt und das machte es für ihn inmitten der altgedienten Ärzteschaft nicht leichter. Die gebärdet sich wie das Habitat, in dem sie tätig ist: ein aufgeplustertes Kaiserreich am Limit, das gewaltig an seinem Nationalismus und Antisemitismus krankt.
Das ist das Passepartout, das Regisseur Marvin Kren („4 Blocks“, „Tatort“) rund um seine achtteilige Serie „Freud“ zieht, die ab heute in ORF 1 zu sehen ist (die weiteren Teile laufen am Mittwoch und Sonntag jeweils als Triplefolge). Wir schreiben das Jahr 1886, es ist die Zeit des berühmten Fin de Siècle, in den Salons flanieren die handzahmen Salonlöwen, die Lust am Okkulten wird mit Séancen gestillt. Während sich die Boheme dem Exzess hingibt, müsste man das Volk an den Tropf hängen, die Armut nagt an ihm wie die Ratten an ihren kränkelnden Artgenossen. Kein Wunder, dass bei diesem Setting der Streamingriese Netflix angebissen hat, der die Serie ab 23. März in rund 140 Ländern anbietet.
Keine Frage, es ist ein dicker Fisch, den Marvin Kren hier an Land gezogen hat. Doch der Druck, ein weltweites Publikum in seinen Bann ziehen zu müssen, hat er nicht: „Ich habe versucht, etwas zu machen, was mich inspiriert, und für mich ist Wien eine unfassbare Inspirationsquelle gewesen.“ Kren ist Wiener bis ins Mark, das spürt man und das legt sich über die Serie wie ein Firnis. 86 Tage lang wurde in Wien und Prag gedreht. Sigmund Freud, gespielt vom 36-jährigen Steirer Robert Finster, ist rastlos und um Anerkennung bemüht. „Unser Ansatz war es, einen echten Charakter zu kreieren. Was hat es bedeutet, damals der junge Arzt zu sein, der gesegnet war mit dem Blick, mehr zu sehen als andere? Mit diesem Gefühl, dass es so etwas wie das Unbewusste gibt?“, erläutert Marvin Kren die Ausgangslage der Serie.
Dieser Freud, der schwankt und wankt bisweilen, um im nächsten Augenblick vom Ehrgeiz gepackt, sich blindlings ins Geschehen zu werfen. Der Nukleus der Serie ist ein fiktiver Mordfall, der Teil eines großen Komplotts ist. Kren macht seinen Freud zum Ermittler, aber er ist keine Sherlock-Holmes-Kopie, dafür ist Freud zu melancholisch, zu empathisch, aber deswegen noch lange nicht uneingeschränkt sympathisch. Freud-Darsteller Robert Finster kostet seine Rolle voll aus, ganz im Sinne des Regisseurs, der nach einem Schauspieler Ausschau gehalten hat, mit dem er gemeinsam den Charakter entwickeln konnte. „Robert Finster war derjenige, der der ersten Szene schon beim Casting eine unfassbare Intensität gegeben hat. Er hat mit seiner Darstellung versucht, in sein Gegenüber einzudringen.“ Auch wenn die Auftraggeber lieber einen bekannteren Darsteller gesehen hätten, aber Kren blieb hartnäckig: „Ich habe gesagt: Ich mache die Show nur mit Robert Finster.“
Doch Finster hat starke Konkurrenz, darunter Georg Friedrich als Polizist Franz Kiss. Der trägt unter seiner Uniform ein großes, gutes, aber geschundenes Herz. Und nur scheinbar elfenhaft tänzelt Ella Rumpf als Medium Fleur Salomé über die dunkelsten Abgründe. Oder wie Marvin Kren es formuliert: „Es ist eine pralle Show, die alles hat. Es wird sich alles zu einem fügen und in einer schönen Melange enden.“
„Freud“: ORF 1, 20.15 Uhr (Doppelfolge), weiter geht es am 18. und am 22. März.