Gut möglich, dass sich die brasilianische Satiretruppe Porta dos Fundos in den letzten Wochen wie im falschen Film vorgekommen ist. Deren Werk „A Primeira Tentação de Cristo“ (Die erste Versuchung Christi), das auf Netflix zu sehen ist, wurde in Brasilien zunächst von einem Gericht in Rio de Janeiro verboten, bis der Oberste Gerichtshof die Entscheidung Ende letzter Woche wieder aufgehoben hat. Politiker und Geistliche machten gegen den Film Stimmung, in dem Jesus einen schwulen Freund hat, Maria Marihuana raucht und die heiligen drei Könige mit einer Prostituierten auf einer Party auftauchen. Bei der Debatte ist es nicht geblieben, denn auf das Büro der Satiriker wurde bereits ein Brandanschlag verübt.
Das Thema Religion ist ein heißes Eisen und doch scheinen die Streamingdienste vermehrt ihre Freude daran zu haben, freilich in den unterschiedlichsten Ausprägungen: Erst gestern feierte auf Sky die HBO-Produktion „The Righteous Gemstones“ Premiere, in der Comedy-Zeremonienmeister John Goodman das Familienoberhaupt einer schrägen Predigerfamilie gibt. Netflix hingegen jubelt verdientermaßen über gleich drei Oscarnominierungen für den Film „Die zwei Päpste“. Und noch einen Coup landete Netflix mit der Serie „Messiah“, die seit Jahresanfang zu sehen ist.
Im Mittelpunkt steht ein junger Mann, der als Projektionsfigur für vielerlei Wünsche, Hoffnung und Erwartungen herhalten muss. Nicht, dass man ihm diese Rolle unbedingt aufgedrängt hat: Er rezitiert die Bibel, verteilt salbungsvolle Worte, taucht wunderlich inmitten von Katastrophen auf, rettet Menschenleben und verschwindet auf unerklärliche Weise aus einem Gefängnis, um kurz darauf am Tempelberg in Jerusalem für Aufregung zu sorgen. Das schafft schnell Begehrlichkeiten: al-Masih, der Messias, nennen ihn seine Bewunderer. In Summe das perfekte Substrat für Social Media, für die Geheimdienste hingegen der personifizierte Albtraum. Ist er gar der ein neuer Al-Baghdadi, also ein Top-Terrorist oder nur ein ausgebuffter Unruhestifter?
All das reicht für eine gute Mischung. Die CIA hat ihn genauso ins Visier genommen wie der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet. Wobei auch hier die Front bröckelt: Die CIA-Agentin schleppt wie ihr israelischer Kollege emotionalen Ballast mit sich herum. Ab wann knickt man ein, lässt die Fakten beiseite und hofft vielleicht auf ein persönliches Wunder? Wäre es nicht möglich, dass er der eine ist? „Es ist eine Chance, glauben zu können“, verspricht sich eine Frau Heilung für ihre an Krebs erkrankte Tochter. Doch so einfach macht es ihnen der „Messias“ nicht. Die Serie ist nämlich weit mehr als nur die Antwort auf die Frage: Ist er es oder nicht? Sie fächert die Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte einer globalisierten Welt auf. Und da wird schnell klar: Wer soll das alles erfüllen können?
Glaubensfragen in Serie:
The First Temptation of Christ. Der umstrittene brasilianische Netflix-Film ist bei uns unter dem englischen Titel zu sehen.
Die zwei Päpste. Der Netflix-Film ist ein fiktives Aufeinandertreffen von Benedikt XVI. und Kardinal Bergoglio (Franziskus).
The Righteous Gemstones. Sie predigen Wasser und trinken gerne auch Wein. Die US-Predigerfamilie neu auf Sky.
The New Pope. Ab 20. Februar (Sky) folgt John Malkovich als neuer Papst Johannes Paul III auf Jude Law, der im Koma liegt.