Die Stimmung unter der Filmcrew ist gelöst, heiter, fast so, als hätte es sie nach rund zweijähriger Odyssee wieder wohlbehalten an Land gespült. Die gute Laune ist nachvollziehbar, weil die Premiere am Vortag in München vor großem Publikum sehr gut verlaufen ist. Und weil es hier Antworten auf die bange Frage gab: Schwimmt das Ding oder hat es irgendwo auf der langen Reise leck geschlagen? Ganz unwahrscheinlich wäre das nicht, denn das Manöver ist durchaus gewagt: Da gibt es eine deutsche Filmikone, sechsfach für den Oscar nominiert, Sprungbrett für Filmkarrieren und untrennbar mit Namen wie Wolfgang Petersen, Jürgen Prochnow und Herbert Grönemeyer verbunden. Daran anknüpfend eine achtteilige Serie (ab 23. November auf Sky) zu drehen, ist ein gewagtes Unterfangen, weil es da ein Grundproblem mit Ikonen gibt: Sie sind vom Heck bis zum Bug Allgemeingut, zu viele haben eine individuelle Erinnerung daran. Das schweißt zusammen: das Original und seine Fans.
Da geht es den beiden Drehbuchautoren der Serie, Tony Saint und Johannes W. Betz, nicht viel anders: Sie beide haben den Film in ihren Jugendjahren gesehen. Also die filmische Umsetzung des gleichnamigen Romans von Lothar-Günther Buchheim. Regisseur Wolfgang Petersen hat die Feindfahrten des deutschen U-Bootes U 96 verfilmt. 1981 kam der Streifen in die Kinos: Wir schreiben das Jahr 1941, in der Atlantikschlacht geraten die Deutschen ins Hintertreffen, gerade deshalb wird der Kampf umso erbitterter geführt. Mittendrin am Horchposten: die Mannschaft der U 96. Die Stimmung: gleich schlecht wie die Luft in den „eisernen Särgen“, wie die U-Boote damals genannt wurden.
Drehbuchautor Tony Saint hat den Film mit 13 Jahren in einem Kino in Newcastle gesehen und zeigt sich noch heute begeistert: „Das war eine ganz große Sache damals.“ Auch Johannes W. Betz erinnert sich: „Ich bin in Bayreuth aufgewachsen, einer Kleinstadt. Auch dort bekam man 1980 den Rummel um den Film mit – und die Botschaft, die der Film versprach: So, jetzt wird mal der Zweite Weltkrieg anders erzählt, als du es in der Schule mitgekriegt hast. Darauf war ich unglaublich gespannt.“ Wie fühlt man sich, wenn man Jahrzehnte später am Drehbuch für die Serie mitschreiben soll? „Als der Anruf vom Produzenten kam, ob ich diese Serie miterschaffen möchte, habe ich das erst nicht geglaubt. Das war schon ein ganz spezieller Moment.“
Ein Moment, den auch Regisseur Andreas Prochaska nur zu gut kennt: Knapp zwei Jahre ist er nun in das Projekt involviert. Womit er gleich aufräumt: Die Serie ist weder Remake noch Sequel, sondern dockt an die Geschehnisse des Films an. La Rochelle 1942: Neuerlich geht ein U-Boot auf Feindfahrt, doch der zweite Handlungsstrang zeigt das Erstarken der Résistance an Land. „Wie ich das Drehbuch der ersten Folge gelesen habe, war ich total überrascht, dass die Reise völlig anders ist als im Originalfilm“, so Prochaska. Vor allem hebt er die Frauenrollen hervor, unter anderem jene der Simone Strasser, die als Dolmetscherin nach La Rochelle kommt: „Besonders interessant war für mich, dass ich über Strasser eine Entwicklung erzählen konnte. Eine Figur, die am Anfang eine brave Nazi-Mitläuferin ist, aber aufgrund der Ereignisse Erkenntnisse gewinnt und sich dann für eine Seite entscheiden muss. Für mich persönlich ist das, was an Land passiert, politisch und emotional fast spannender als das, was auf dem Boot passiert.“
Und doch schafft Prochaska am Boot das, was man sich für ein U-Boot nur wünschen kann: eine dichte Beschreibung. Eine junge Crew zwischen Pflichterfüllung und Verzweiflung: Von euphorisch bis zaudernd, sie richten sich gegenseitig auf und sie machen sich gegenseitig nieder. Die Anspannung ist bisweilen körperlich spürbar.
Das ist kein Wunder, wurden die U-Boot-Szenen doch in einer 45 Meter langen, hydraulisch bewegbaren Spezialkonstruktion gedreht. Für die Außenaufnahmen wurde eine 67 Meter lange Attrappe auf Malta benutzt, die erst restauriert werden musste. Die Schauspieler wurden auf ihre Seetüchtigkeit getestet und mussten mit einem Experten eine Art Bootcamp absolvieren.
Wie hat sich Prochaska in der unglaublich kurzen Vorbereitungszeit von sieben Monaten vorbereitet? „Man versucht, sich in sehr kurzer Zeit möglichst viel Wissen anzueignen. Ich habe den Roman von Buchheim gelesen und jetzt ein Regal voll mit U-Boot-Literatur. Und natürlich habe ich mir alle U-Boot-Filme angeschaut, die ich sehen konnte.“ Beraten wurde die Crew nicht nur von Historikern, sondern auch vom U-Boot-Fregattenkapitän a. D. Jürgen Weber.
Das Grauen des Krieges für eine neue Zuschauergeneration greifbar zu machen, das war die Intention der Filmfirma Bavaria. Welchen Nachhall wünscht sich Regisseur Andreas Prochaska für die Serie? „Ich finde, man hat als Filmemacher dann gewonnen, wenn man die Leute auf eine Reise mitnimmt und sie während der Reise merken, dass sie mit Situationen konfrontiert sind, mit denen sie nicht gerechnet haben – und das löst bei den Zuschauern hoffentlich Fragen aus.“
Das Boot, ab 23. 11. auf Sky