Er steht am Strand, im Morgenmantel, mit dem Golfschläger in der Hand. Er schlägt ab, es macht blobb-blubb – daneben! Man braucht nicht viel Fantasie, um der Möwe, die er wieder und wieder verfehlen wird, ein höhnisches Gekrächze zu unterstellen. Ein kleiner Misston in der Partitur der Dekadenz, die hier in Nantucket den Ton angibt. Auf der Atlantikinsel zelebrieren Reich und Schön die Sommerfrische. Doch das Paradies ist nur aus der Vogelperspektive leichtfüßig und das, obwohl man hier das Abgehobene feiert. Letzteres ist die Spezialdisziplin der Bestsellerautorin Greer Garrison Winbury (Nicole Kidman): Alles muss perfekt sein, die geplante Hochzeit von einem ihrer drei Söhne sowieso.

Daraus wird aber nichts, nachdem am Morgen nach der ersten Aufwärmrunde ein Gast tot am Hausstrand liegt. Auch wenn sich die Nebel ihres dauerkiffenden und Golf spielenden Ehemannes Tag (Liev Schreiber) eher nicht lichten, so muss raus, was unter der Oberfläche brodelt. In sechs Folgen umkreist Regisseurin Susanne Bier (“Bird Box“, „The Undoing“) das, was in den letzten Jahren zum Serien-Erfolgsrezept geworden ist: Eat the Rich, den Reichen beim Scheitern zuzuschauen. „Succession“ und „The White Lotus“ sind der Goldstandard. In „Ein neuer Sommer“ verknüpft sie das mit einem Whodunit-Konzept. Schicht für Schicht wird der Goldstaub abgetragen, kommen sie ans Licht, die kleinen und großen Sünden, Abgründe und Verlockungen der Hochzeitsgesellschaft.

Der Kater kommt nach dem Warm-Up für die Hochzeit, einer der Gäste wird am nächsten Morgen tot am Strand gefunden
Der Kater kommt nach dem Warm-Up für die Hochzeit, einer der Gäste wird am nächsten Morgen tot am Strand gefunden © Netflix/Hilary Bronwyn Gayle

Tief schürft die Dänin dafür nicht, sie legt die Fährten und Fäden locker aus, verdichtet sie erst nach der Hälfte. Viel ist absehbar, manches unlogisch. Der Klassenkampf zieht hier nur ein, wenn die Ermittler von außen kommen. Wie lästige Insekten, die mit ihren bohrenden Fragen und Sticheleien den Geldadel piesacken. Die revanchieren sich mit bockiger Abgehobenheit. Das Rückgrat der Produktion sind Nicole Kidman und Liev Schreiber, die eine maskenhaft, professionell und unergründlich, der andere im Vakuum seines Privatieralltags dahintreibend, um dann und wann auszubrechen. Die beiden sind sehenswert, der Rest plantscht unaufgeregt drumherum und das, obwohl ein Mörder unter ihnen ist.

Bewertung: ●●●○○

„Ein neuer Sommer“ ist auf Netflix zu sehen.