Die Zeichen standen schlecht. Selbst ein Kaliber wie der Regisseur Peter Jackson, hatte mit „Der Hobbit“ Schiffbruch erlitten. Und wenn sogar Jackson der Fortsetzung seines Triumphs „Herr der Ringe“ nicht gewachsen war, dann sollte eine Plattform wie Prime Video es schaffen? In der schnelllebigen Kommerzwelt heutiger Serienproduktion, die nur auf Trial-and-Error-Prinzipien zu vertrauen scheint, und wo Quantität eine größere Rolle als die Qualität und künstlerische Integrität spielt, ausgerechnet dort sollte das Erbe J. R. R. Tolkiens Mittelerde-Welt gut aufgehoben sein? Die sensationsheischenden Vorberichte von der „teuersten Serie aller Zeiten“ steigerten die Zuversicht nicht, im Gegenteil.

Die auf fünf Staffeln konzipierte Serie erzählt die Geschichte, wie die 20 Ringe der Macht in die Welt kamen. Nach einer bereits ziemlich gelungenen ersten Staffel lässt sich nach den ersten Folgen von Staffel zwei bei aller Vorsicht ein Zwischenfazit ziehen: Showrunner Patrick McKay und JD Payne haben zumindest atmosphärisch und visuell ein Meisterwerk geschaffen.

Allein der Vulkanausbruch und die Geburt des Ödlands Mordor in Staffel eins war visuell spannender und radikaler gemacht, als das in der Serienwelt normalerweise üblich ist. Und es ist erkennbar, dass eine Milliarde Dollar in die Produktion der fünf Staffeln gesteckt wird. Sets und Kostüme sind aufwändig und wunderschön. Man hat zwar das Gefühl, sich stundenlang Fantasy-Airbrush-Gemälde anzuschauen, aber gerade diese Künstlichkeit unterstreicht letztlich das Märchenhafte der Vorlage. Denn Mittelerde ist nicht Westeros. Tatsächlich verhält sich „Game of Thrones“ zu „Die Ringe der Macht“ wie ein gut geschriebener Mafia-Thriller zum Gilgamesch-Epos oder zur „Odyssee“. „Game of Thrones“ kümmert sich um die Untiefen und ist von einem pessimistischen Realismus des Allzumenschlichen geprägt, während Tolkiens Welt Mythen und Märchen produziert, um die überzeitlichen Prinzipien der Welt, und um die Frage von Gut und Böse kreist.

Die Mythenmaschine „Die Ringe der Macht“ verzichtet dabei auf sehr prominente Schauspieler oder Gaststars. Bekanntere Gesichter sind lediglich der mittlerweile offenbar unvermeidliche Ciarán Hinds als Zauberer und Rory Kinnear als Tom Bombadil (der rätselhaftesten aller Tolkien-Figuren, über die Peter Jackson sich bei „Der Herr der Ringe“ nicht drübertraute).

Die Serie unterläuft Tolkiens im Kern fragwürdige eurozentristische, tendenziell rassistische Hell-Dunkel-Malerei natürlich: Auch ein Ork hat Familie und will vielleicht nur seine Ruhe haben. Selbst das absolut Böse wie Sauron möchte Ordnung schaffen (es ist halt eine faschistoide) und Menschen und Elben platzen nicht vor Edelmut und guten Absichten. Diese psychologischen Grautöne sind eine interessante Bereicherung für Mittelerde, obwohl sich über die „woke“ Entscheidung, Zwerge und Elben auch von dunkelhäutigen Darstellern spielen zu lassen, gut streiten lässt. Das ist letztlich der Versuch, die problematischen Aspekte von Tolkiens Weltentwurf einfach zu kaschieren.

In Staffel zwei geht nun Saurons Spiel der Manipulation und Korruption weiter und die Ringe entstehen in der Schmiede des Elben Celebrimbor. Die Menschen treiben ihre Machtspielchen, das Gute wird zum Instrument des Bösen und ein Zauberer kämpft damit, seine Mächte zu kontrollieren. Ob dieser sich als Gandalf oder Saruman entpuppen wird, sorgt gerade für Diskussionsschlachten bei Tolkien-Nerds.