Friedlicher Abschluss des Nova-Rock-Festivals im burgenländischen Nickelsdorf: Am Sonntag verließen die letzten der insgesamt 200.000 Besucherinnen und Besucher die Pannonia Fields, auf denen sie in den vergangenen vier Tagen bei Regen, Gatsch und Hitze gefeiert hatten. Die Einsatzorganisationen zeigten sich mit dem eher ruhigen Ablauf des Festivals zufrieden. Der ÖAMTC verzeichnete insgesamt rund 500 Einsätze. Häufig mussten Fahrzeuge geborgen oder abgeschleppt werden, und sogar Scheibtruhen wurden wieder auf Vordermann gebracht. Die Polizei war vor allem bei gestohlenen Handys und Taschen im Einsatz, aber auch bei Körperverletzungen. Insgesamt sei das Festival ruhig geblieben. Als gelungen entpuppte sich das neue schlechtwettertaugliche Verkehrskonzept.
In der Nacht davor spielten zum Abschluss Die Ärzte auf der Hauptbühne eine mit Punk, Fun, Hits und witzigen Wortduellen gespickte Show: Jede Menge Ärzte-Klassiker wie "Deine Schuld", "Unrockbar" und "Schrei nach Liebe" wurden geboten. Insgesamt Unterhaltung pur, politisch unkorrekt mit Augenzwinkern. Parallel dazu versorgten Nightwish ihre Fans auf der Red Stage mit Symphonic-Metal, bis das Falco-Tribute nach Mitternacht den endgültigen Schlusspunkt setzte. Zunächst sang ein virtueller "Falke", begleitet von seiner Originalband, alleine "Out Of The Dark", bei "Wiener Blut" übernahm Roman Gregory die Vocals. Später sangen auch Ana Milva Gomes, Tini Kainrath oder Johannes Krisch, manchmal im Duett mit der Poplegende. Zum "Amadeus" gaben sich alle die Ehre.
Zufriedener Veranstalter zieht Bilanz
Für Veranstalter Ewald Tatar und sein Team war die unstabile Wetterlage an den vier Festivaltagen "eine Herausforderung", so der Festivalintendant im Gespräch mit der APA. "Man kann vor diesem Publikum nur den Hut ziehen, auch vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", betonte er auf die "Schlammschlachten" angesprochen. Erleichterung über den bisherigen Ablauf war dem Burgenländer anzumerken: "Ich bin happy, wie die Leute reagieren." Wie viele Kilos Hackschnitzel zur Festigung des Areals aufgeschüttet wurden, weiß Tatar nicht. "Aber es sind zig Tonnen. Alles, was wir bekommen haben." Zermürbend seien die sehr unterschiedlichen Wetterprognosen gewesen – mit Regenmengen-Vorhersagen von einem bis 25 Liter. "Dann hört man es donnern und dass in Parndorf Keller unter Wasser stehen."
Von diesem Unwetter ist das Nova Rock letztlich verschont geblieben. "Ich kann mich an so eine Wetterlage wie heuer nicht erinnern. Im Vorjahr ist eine Front durchgezogen, so ungut das war, aber dann war es vorbei." Die Einsatzkräfte zogen ebenfalls zufriedene Zwischenbilanzen. Kolportiert wurden aber kritische Momente in der Nacht auf Donnerstag bei Slipknot im Wavebreaker. "Der Wavebreaker ist bei allen Showtagen gleich", sagte Tatar. "Bei Slipknot wollte jeder die Maskenmänner sehen, es hat sich alles in der Mitte konzentriert. Es gab keinen Druck von außen, aber drinnen wurde ein Moshpit gemacht. Weil es eng war, hat sich die Masse einmal kurz zu bewegen begonnen. Aber das war sofort wieder vorbei. Genau dafür ist dieser Wavebreaker da. Er steht in einer Sicherheitsdistanz, um solche Wellen abzufangen und zu unterbinden. Genau das ist passiert."
Sicherheit für Frauen
Ein großes Thema bei Rockveranstaltungen ist derzeit Awareness und Sicherheit – speziell für Frauen. "Wir haben schon vor Jahren reagiert", sagte Tatar. "Es gehen Securitys mit Westen herum, auf denen 'Ask me' steht. Wenn du ein Problem hast oder auch nur eines siehst, dann wendet man sich an diese Mitarbeiter. Diese stehen in Verbindung mit der Securityzentrale oder direkt mit der Polizei. Heuer haben wir dazu noch den Angel-Shot eingeführt. Das ist ein Codewort. Wenn eine Frau sich belästigt fühlt und an der Bar einen Angel-Shot bestellt, dann weiß das Personal, dass die Security zu verständigen ist."
Für eine gute Stimmung sorgte beim Programmstart am letzten Tag die US-Rockband Nothing More, die derzeit mit ihrem im Vorjahr erschienenen Album "Spirits" tourt. "Das war unsere erste Festivalshow in Österreich", meinte Gitarrist Mark Vollelunga danach. "Wir hatten gehört, dass man am Nova Rock spielen muss – das haben wir geschafft!" Mit bereits drei Grammy-Nominierungen auf der Habenseite ist die Gruppe alles andere als ein Newcomer, spielte dennoch recht früh. "Die Leute waren toll, ganz ehrlich. Schwieriger war es hingegen, aufzuwachen", lachte Vollelunga. "Wir haben gestern in Berlin eine Show gespielt. Normalerweise trinke ich einen Shot Whisky vorm Auftritt. Aber heute, um diese Zeit? Eher nicht."
Mit dickem Kopf nach einem Konzert aufzuwachen, das kennen wohl auch manche Nova Rock-Fans – dieser Moment, wenn man sich fragt: Was war da gestern los? Davon wussten auch Swiss und die Andern zu erzählen, hat die Hamburger Punkband mit "So bereuen" doch den passenden Track dafür nach Nickelsdorf mitgebracht. Dass sich das Bedauern aber meist in Grenzen hält, ist ohnehin klar, denn: "Heut' ist alles scheißegal", wie Sänger Swiss ins Publikum bellte. Man war ganz offensichtlich einer Meinung.
Deutlich versöhnlicher im Ton war hingegen der Wiener Musiker Josh, dessen Deutschpop am Festival ein bisschen wie ein Fremdkörper wirkte. Bei "Cordula Grün" stimmte die Menge trotzdem eifrig mit ein. Mangelnden Einsatz konnte man Josh ebenso wenig vorwerfen wie der walisischen Crossover-Institution Skindred, die zur gleichen Zeit auf bewährte Zutaten setzte: Rock und Metal, vermengt mit ein paar Reggae-Anleihen – zwecks Hüftschwung und Tanzbarkeit, eh klar. Zwar schien mancher Körper am vierten Tag nicht mehr ganz mitzuspielen, aber stillsitzen ist halt auch keine Option.
Neues Publikum gewinnen, neue Songs vom demnächst erscheinenden Album "Dead City Club" austesten, in die Gänge kommen und Fans erfreuen – das waren die Anliegen von Nothing But Thieves auf der Blue Stage, wie sie im Gespräch mit der APA betonten. "Wir sind schon einmal am Nova Rock aufgetreten", erzählte Sänger Conor Mason. "Aber ich weiß nicht mehr, wann." Kollege Dominic Craik (Gitarre, Keyboard) lachte: "Die Pandemie hat uns verwirrt. Wir haben das Zeitgefühl verloren. Ich glaube, es muss um 2017 gewesen sein." Fast: 2018 haben die Briten bereits auf den Pannonia Fields performt. "Ich mag die Herausforderung bei einem Festival, man weiß ja nie, ob dich jemand sehen will – oder ob man gar Flaschen nach dir wirft", so Mason. "Nein, nein, es ist schön als Band, die auch Popsensibilität hat, auf einem Rockfestival zu sein. Es macht Spaß, live tiefer in unsere rockige Seite einzutauchen."
Verschobene Auftritte
Vier Tage mit Regen, Hitze und wieder Regen hat das Publikum hier hinter sich. Mason kann das Gefühl nachvollziehen: "Ich hab zweimal bei einem Festival gezeltet. Und ich habe es gehasst. Ich schlafe mittlerweile lieber im Hotel", grinste er. "Vermutlich sind wir älter und bequemer geworden, aber in Glastonbury würde ich das machen – wenn ich eingeladen wäre", meinte Craik. Abgesagt wurde am Samstag der Auftritt der kalifornischen Band Incubus, nachdem Sänger Brandon Boyd erkrankt war. Deswegen verschoben sich auch die Auftritte auf der Blue Stage etwas nach hinten.