Der Vorgang dürfte auch in der bunten Welt der Popmusik einzigartig sein: Wegen des Streits mit ihrem ehemaligen Label spielt Taylor Swift ihre alten Alben noch einmal ein. Damit kann die 31-jährige Ausnahmekünstlerin über die Rechte wieder frei verfügen. Den Anfang macht ihre Neufassung von "Fearless" am Freitag (9. April). Erstmals 2008 veröffentlicht, markierte das Album Swifts Wandlung von der Countrymusikerin zum Popstar und war bahnbrechend erfolgreich. Das zeigt ein Blick auf die Fakten: Bei der Veröffentlichung vor fast 13 Jahren war Swift gerade einmal 18 Jahre alt, schon damals schrieb sie die Lieder entweder komplett selbst oder war Co-Autorin. Sie gewann dafür vier Grammys, unter anderem für das "Album des Jahres". In den USA war "Fearless" 2009 die meistverkaufte Platte. Bis heute hat sie sich, wie Swifts jetziges Label Universal informiert, zwölf Millionen Mal verkauft.
Musikalisch erwarten die Hörer 26 eingängige Popsongs mit leichtem Countryeinschlag. Einige davon hatten es damals nicht aufs Album geschafft, sie sind zum ersten Mal zu hören. Banjos, gezupfte Gitarren oder Geigen rückten auf Swifts zweitem Werk etwas mehr als noch beim Debüt in den Hintergrund. Der Sound wurde stadiontauglicher, wie etwa das poprockige "Forever & Always" zeigt.
Man könnte das Album als Teeniepop bezeichnen, fast jedes Lied handelt von Highschool-Verliebtheit. Die Melodien sind manchmal zu süßlich, doch Swifts Markenzeichen ist hier schon ausgeprägt: ihr starkes Songwritingtalent. Sie erzählt Geschichten, die spezifisch sind und trotzdem universell anschlussfähig. Details aus ihrem eigenen Leben fließen ein, so erwähnt sie zum Beispiel ihre Freundin Abigail. Dadurch hatten Swifts Fans von Anbeginn das Gefühl, Teil ihres Lebens zu sein.
Selbstermächtigung im Foku
Das titelgebende "Fearless" handelt von alles durchdringender Verliebtheit. Doch als Hörerin erfährt man nicht nur, dass die Ich-Erzählerin irre verliebt ist in ihren Schwarm, der sich so cool durch die Haare fährt – sondern auch, wie die Straße aussieht, auf der die beiden Auto fahren. Mit diesem Album hatte Swift neu definiert, was Teeniepop bedeuten kann. Anders als die meisten US-Megastars im Teenageralter schrieb sie ihre Geschichten selbst und spielte selbst Gitarre. Auch wenn es typische Jugendfantasien sind, wirken sie ungewohnt aufrichtig.
Selbstermächtigung war schon damals ein Thema für die US-Amerikanerin – und ist es bis heute. Zwischen 2006 und 2017 hatte sie ihre ersten sechs Studioalben bei Big Machine herausgebracht, einst ein kleines Countrylabel in Nashville. In der Vergangenheit sprach sie über ihren gescheiterten Versuch, die Rechte an diesem frühen Material zurückzugewinnen. Ohne ihr Wissen seien die Rechte zweimal verkauft worden – unter anderem von einem Musikmanager, dem Swift unfaire Praktiken vorwirft.
Nun also erscheinen diese Alben neu eingespielt – in "Taylor's Version", wie der Zusatz heißt. Im Prinzip sind es die gleichen Lieder, doch die neue Version der Single "Love Story" etwa klingt im Vergleich frischer, die Instrumente sind differenzierter.
Einige der Songs bleiben hängen – doch das hohe Niveau des späteren Hit-Materials auf "1989", "Lover", "Folklore" und "Evermore" haben sie noch nicht. Wichtig ist das Album aus anderen Gründen: Weil Swift über ihre alten Songs nun wieder frei verfügen kann - und vor allem, weil sich daran ihre Entwicklung zu einer der talentiertesten Songwriterinnen unserer Zeit nachvollziehen lässt.