Böse Buben, die statt Jeans in der Kniekehle Anzughosen bis zum Hals tragen. Introvertierte Musik-Tüftler, die am roten Teppich plumpe Celebrity-Fragen gestellt bekommen, schillernde Stars mit überforderten Lebenspartnern im Gepäck. Das Besondere an den Grammys, die in der Nacht auf Montag stattfanden, ist, dass sie stets Dinge aufeinanderprallen lassen, die nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben. Große Plattenfirmen-Bosse und aufstrebende Underground-Asketen, Musiker aus rund 80 Kategorien, von Kindersoundtrack-Produzenten bis zum Rapper.
In seinen stärksten Momenten verbindet die Verleihung so Interpreten, die sonst nicht aufeinandertreffen würden. Ein Beispiel dafür ist der fulminante Auftritt von Lady Gaga gemeinsam mit Metallica im Jahr 2017. Die diesjährige 63. Auflage der Grammys fand coronabedingt verspätet und nicht im berühmten Staples-Center in Los Angeles statt. Ein vages Konzept verspricht dennoch Star-Auftritte im kleineren, sicheren Rahmen. Einen Rekord stellte Sängerin Beyoncé auf. Beyoncés Song "Black Parade" wurde als "Beste R&B-Performance" gewürdigt, gemeinsam mit ihrer neunjährigen Tochter bekam die 39-Jährige für "Brown Skin Girl" den Award für das "Beste Musikvideo" und noch zwei weitere Preise. Damit nahm sie der US-Bluegrass-Sängerin Alison Krauss mit ihren 27 Grammys den Rekord ab.
NEGATIVES - Das Problem mit der Relevanz
Den Grammys fehlt Mut und Know-how. Das beweist die Jury auch heuer wieder.
Sinkende Einschaltquoten, undurchschaubare Jury-Entscheidungen, Rassismus-, Sexismus- und Korruptionsvorwürfe. Die Grammys sind, ähnlich wie die Oscars, in den letzten Jahren in Verruf geraten. Der Award hat aber vor allem ein viel banaleres Problem: Er ist weder ein ernst zu nehmender Olymp für Pop-Größen noch ein Bezugssystem für zukünftige Stars. Anstatt streitbare, aber sattelfeste Entscheidungen zu fällen, verteilt die Jury oft hilflos und verspätet Trophäen, die wenig Sinn ergeben. Beyoncé ging mit ihrem Album „Lemonade“, das das Bewusstsein des schwarzen Amerikas bis dato prägt, 2017 leer aus. Heuer ist sie hingegen mit einer Single, die wenig Beachtung fand, vier Mal nominiert.
Einer der wichtigsten Popstars der Stunde, Sängerin Ariana Grande, hat in ihrer gesamten Karriere erst eine Auszeichnung erhalten. Ein Grund dafür ist die veraltete Wertungsgrundlage. So sind für die Grammys 2021 lediglich jene Tonträger im Rennen um eine Auszeichnung, die im Zeitraum vom 1. September 2019 bis zum 31. August 2020 veröffentlicht wurden. In der Zeit von Spotify und Internet-Trends ist diese Regelung viel zu langsam. Doch auch der Kommerz ist ein Problem. So wurde The Weeknd in diesem Jahr vollständig von der Jury ignoriert. Mit seinem Song „Blinding Lights“ lieferte er den erfolgreichsten Hit des letzten Jahres. Ein Grund dürfte seine Halbzeit-Show beim Super-Bowl-Finale gewesen sein, die eine Performance bei den Grammys weniger exklusiv machte.
POSITIV - No Country for Old Men
Bei aller Kritik: Diese Nominierungen sorgen für Freude.
Egal, ob sie gewinnt oder leer ausgeht: Mickey Guyton hat bereits Geschichte geschrieben. Als erste schwarze Country-Sängerin ist sie mit ihrem Song „Black Like Me“ für einen Grammy nominiert. „Wir Frauen können mehr als nur Lieder über Süßes, Lustiges oder Herzschmerz schreiben“, sagt sie.
Auch im alternativen Segment zeigen die Awards heuer Gespür für Zeitgeistiges. So sind die Folk-Sängerin Phoebe Bridgers und die Songwriter-Kubistin Fiona Apple vier bzw. drei Mal nominiert. Unter anderem in der in diesem Jahr ausschließlich weiblich angeführten Kategorie „Rock-Performance“. Dass das musikalische Werk das irdische Leben überdauert, beweist die Sparte „Rap-Performance“. Hier sind mit Nipsey Hussle und Pop Smoke gleich zwei verstorbene Künstler vertreten. Die legendären Strokes und der stilprägende Rapper Travis Scott haben heuer ebenfalls gute Karten, erstmals einen Grammy mit nach Hause zu nehmen.
Das waren die Nominierungen
Die großen Kategorien:
Dua Lipa und Beyoncé waren die großen Favoritinnen.
Single des Jahres: „Black Parade“ von Beyoncé „Colors“ von den Black Pumas „Rockstar“ von DaBaby featuring Roddy Ricch „Say So“ von Doja Cat „Everything I Wanted“ von Billie Eilish „Don’t Start Now“ von Dua Lipa „Circles“ von Post Malone „Savage“ von Megan Thee Stallion featuring Beyoncé
Album des Jahres: „Chilombo“ von Jhené Aiko „Black Pumas“ von Black Pumas „Everyday Life“ von Coldplay „Djesse Vol. 3“ von Jacob Collier „Women in Music Pt. III“ von Haim „Future Nostalgia“ von Dua Lipa „Hollywood’s Bleeding“ von Post Malone „Folklore“ von Taylor Swift
Best New Artist: Ingrid Andress Phoebe Bridgers Chika Noah Cyrus D Smoke Doja Cat Kaytranada Megan Thee Stallion