Londoner Autofahrer haben wohl kaum verzückt die Songs „Drive My Car“ oder „Taxman“ auf den Lippen, wenn sie sich einer bestimmten Stelle der lang gezogenen Abbey Road nähern, eher schon entschlüpft ihnen wutschnaubend das F. . .- oder S . . .Wort. Die verfluchte Stelle ist ein bestimmter Zebrastreifen, inzwischen Hunderte Male neu gepinselt, den vor 50 Jahren die Herren Paul McCartney, John Lennon, George Harrison und Ringo Starr überquerten und den heute noch tagtäglich Tausende handybewaffnete Touristen aus aller Welt belatschen.
F. . .!

Das längst ikonenhafte Foto, in das später allerlei rätselhafte Botschaften hineininterpretiert wurden, stammt von Iain McMillan und wurde nur wenige Schritte von den Abbey Road Studios entfernt aufgenommen. Dort, wo die vier Herren fast alle ihre Alben aufgenommen haben – auch jenes, das ihr waidwunder, aber wunderschöner Schwangengesang werden sollte. Auf „Abbey Road“, erschienen am 26. September 1969, befinden sich die letzten Songs, die die Beatles gemeinsam aufgenommen haben. Im Jahr darauf folgte noch „Let It Be“, aber das war nur noch ein uninspiriertes Stückwerk. Am 10. April verkündete Paul McCartney das offizielle Aus der Gruppe. Doch „The End“ befand sich bereits auf „Abbey Road“.



Die mythenumrankten Monate rund um die Aufnahmen von „Abbey Road“ wurden erst jüngst durch eine äußerst aufgeregte Schlagzeile des „Guardian“, der eigentlich nicht für exzessiven Alarmismus bekannt ist, noch spekulationssatter. Die gesamte Beatles-Geschichte müsse umgeschrieben werden, hieß es dort. Grund des Alarms war ein Tonbandmitschnitt einer Bandbesprechung, der von John Lennon aufgenommen wurde, um sie später dem abwesenden Ringo Starr vorzuspielen. Der Mitschnitt lässt vor allem McCartney nicht gut dastehen. Es ist zu hören, dass Lennon nicht nur vorschlägt, die Autorenzeile „Lennon-McCartney“ aufzulösen, sondern in Zukunft paritätisch je vier Songs von ihm (Lennon), McCartney und Harrison (und eventuell zwei von Starr) pro Album zu veröffentlichen. Darauf habe McCartney mit dem Satz reagiert: „Bis zu diesem Album dachte ich, Georges Stücke seien nicht so gut“ – woraufhin sich wiederum Harrison verteidigte. Später ist zu hören, wie Lennon die Qualität von McCartney-Songs bezweifelt.

Aber warum die „Guardian“-Aufregung? Der Mitschnitt dokumentiert nur das, was ohnehin offensichtlich war: Diese Band war am Ende, hauptsächlich zerschellt an der zur Inkompatibilität mutierten Kongenialität der beiden Pop-Genies McCartney und Lennon.

Doch so schmutzig die Scheidung dann war, so voll berückender Schönheit, glanzvoller Erhabenheit und überbordendem Einfallsreichtum war das Scheidungsdokument dazu – „Abbey Road“. Perlen wie „Come Together“, „Something“, „I Want You“, „Here Comes The Sun“ oder „Carry That Weight“ – aber im Grunde nahezu alle Songs auf diesem traurig-trotzigen Album – sind letzte schwergewichtige Tondokumente einer Band, die in den kurzen zehn Jahren ihres Bestehens nicht nur Musikgeschichte geschrieben hat, sondern die vielen nach ihr den Weg in die Zukunft zeigte, obwohl ihr eigener auf diesem verfluchten Zebrastreifen endete.