Die Zielgruppe Ariana Grandes dürften Mädchen zwischen 8 und 18 Jahren sein. Nicht nur das sonnige Gekreisch, das den Auftritt der Sängerin in der Stadthalle über gut 90 Minuten begleitet, ist ein Anzeichen dafür, dass man hier in eine Welt eintaucht, die aus Glitzersteinchen und rosa Herzen zu bestehen scheint. Aber hinter dieser Fassade fröhlicher Unbeschwertheit steckt sehr viel mehr. Grande ist gewissermaßen die akustische Verlängerung des Einhorn- und My-Little-Pony-Universums in die Adoleszenz. Man kann sich andere, jedoch kaum bessere Musik vorstellen, welche das Jungsein, die nicht gerade unkomplizierte Phase des Erwachsenwerdens eskortiert als jene Grandes, deren bittersüße Stücke von den Ängsten und Freuden der Teenie-Jahre handeln. Die jenseits der 20 natürlich nicht ausgestanden beziehungsweise vorbei sind.
Grande packt in ihren raffinierten Pop eine Riesenportion feministisches Self-Empowerment (wie man das heute nennt). „God Is a Woman“ platziert sie an den Anfang der Show, keck arrangiert als Letztes Abendmahl, mit der Künstlerin in der Mitte ihres Tänzerensembles, das gemeinsam mit ihr die exakt getaktete, bis ins kleinste Detail choreografierte Show trägt. Dass Grande, diese kleine, große Person, neben der Stimmakrobatik auch noch das Tanzen auf Plateausohlen perfektioniert hat, ist charakteristisch für den Zirkus, den US-Popshows heute veranstalten. Da wird nichts dem Zufall oder einer spontanen Laune überlassen, da wird performt, performt, performt. Die Logik des „I Want It, I Got It“ (so die Zeile aus „7 Rings“) ist aber keine, die im Konsum stecken bleibt, sondern aus dem Konsum eine Chiffre für erwähnte feministische Ermächtigung macht. Das ist ebenso widersprüchlich wie wunderbar.
Im matschigen Sound der Stadthalle geht einiges von der Musik verloren, die Ariana Grande seit Jahren mit der Créme heutiger US-Popmusik kreiert. Sogar aus einer Werbejingle-Melodie wie jener zu „Sweetener“ wird ein Maximum an Coolness herausgeholt, während das von „My Favourite Things“ (aus „The Sound of Music“) abgeleitete „7 Rings“ (auch live mit Straßenkreuzer als Kulisse) oder das knackige „Side to Side“ pure Pop-Brillanz sind. Nicki Minaj ist beim unwiderstehlichen „The Light Is Coming“ natürlich nur via Tonkonserve zu Gast, die stattliche Anzahl hoch spannender Acts (von Pharrell bis Missy Elliott), die sich in Grandes Aufnahmestudio die Klinke in die Hand geben, haben dem Teenie-Star Credibility und Gewicht verliehen. Die Grammys ließen nicht auf sich warten.
„Thank U, Next“ beschließt das Spektakel. Ein großes, tröstliches Stück über Teenage- Angst und verlorene Liebe. Es gibt wahrlich schlechtere Vorbilder für junge Mädchen als Ariana Grande. Alles Gemecker überlassen wir den Zynikern. Davon gibt es eh genug.