Was für ein musikkulinarisches Kontrastprogramm an zwei aufeinanderfolgenden Tagen: Zuerst die vielstöckige, kalorienbombige Cremetorte (Elton John), dann - um beim Bild zu bleiben - der knackige Butterkeks (Sting). Also ganz großes Pop-Drama am Mittwoch, tags darauf auf das Wesentliche - nämlich die Songs - reduzierte Naturkost. Und beides schmeckte dem Publikum, trotz der völlig unterschiedlichen Geschmacksrichtungen, hervorragend.
"My Songs" heißt die Tournee von Gordon Sumner vulgo Sting - und das ist auch gleichzeitig sein Programm. Nur die Songs zählen. Seine Songs und jene der legendären Band "The Police" - also ebenfalls seine. Am Donnerstag gegen 21 Uhr (nach einem Empfang im Styria Media Center) betrat der Mann mit der unverwechselbaren Falsettstimme die Bühne, an seiner Seite eine kompakte Band mit drei Mitmusikern und zwei SängerInnen. Zwei schmale Vidi-Walls flankierten die Bühne, auf der es außer einer dezenten Lichtshow keine weiteren Spielereien gab. Keine Videos, keine bunten Bilder, keine Feuerwerke, kein Papierschnipselregen. Sting hat allen Ballast abgeworfen. Gut so. Das befreit. Und die Songs bekommen gut Luft.
Und das hat ihnen gutgetan. Mit "Message in a Bottle" startete der Englischman in den Abend, der diesmal trocken blieb. Dann ein Songreigen, der ebenfalls zum Soundtrack ganzer Generationen gehört: "If I ever lose my Faith in You", "Every little Thing she does is Magic", "Seven Days", "Fields of Gold", "Walking on the Moon", "So Lonely", natürlich der heisere Ewigkeitshadern "Roxanne" - was für eine pralle Liste! Mehr als die Hälfte der Setlist (22 Tracks) besteht aus "The Police"-Songs, das spricht für die lange Haltbarkeitsdauer und unverwüstliche Qualität dieses vielschichtigen Songmaterials.
Empfang im Styria-Media-Center: Sting trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Graz ein
Der Sound ist glasklar, vielleicht streckenweise etwas so glatt. Ein sichtlich gut gelaunter Sting serviert seine besten Song-Jahrgänge Non-Stop. Da wird nichts zugekleistert, da ist nichts überfrachtet. Kein Zierrat, keine Schnörkel. Mit großer Lässigkeit und vielleicht auch Altersweisheit (weniger ist mehr!) zupft der Brite seinen wundgeschabten Bass und lässt seinen Mitmusikern Freilauf. Aber auch hier: keine langen Soli, keine Muskelspiele, keine Egotripps.
Teilweise hat der Ex-Polizist seine Lieder in ein neues Gewand gesteckt. Anders als auf CD wirkt das live schlüssig und frisch. Viele Stücke kommen durch diese Bearbeitung noch reaggaemäßiger daher als sie ohnehin schon sind. Die Stimmung im Publikum - rund 7000 Zuschauer sind gekommen - ist von Beginn an enthusiastisch. Was auffällt: Erstaunlich viele junge, völlig textsichere Fans brüllen sich heiser. Von wegen Altmännermusik!
Völlig tiefenentspannt steigert Sting das Tempo gegen Ende hin. Der "Demolition Man" kommt mit brachialer Wucht daher, das unkaputtbare "Every Breath you take" ist noch einmal kurz zum Durchschnaufen, mit dem "King of Pain" und dem rotzfrech-polternden "Next to you" kracht Sting dann mit Vollgas in die Zielgerade. Nicht ganz: Als finaler Song, zum Ausdampfen, erklingt dann noch das zeitlose, atemberaubend schöne "Fragile".
Und aus. Nach eineinhalb Stunden. Das reicht. Das hat gereicht. Die Felder voll Songs aus Gold sind abgeerntet. Der Farmer zieht weiter. Und dass er seinen Kindern, also seinen Songs, an diesem süffigen Sommerabend so viel Freilauf, Raum zum Austoben und genügend Luft zum Atmen gegeben hat, das hat Mr. Gordon Sumner vielleicht auch als Weinbauer gelernt.