Seit knapp sechs Jahren bricht Billy Joel ein Mal pro Monat per Hubschrauber von seiner Riesenvilla in der Vorstadt zum berühmten Madison Square Garden mitten in New York auf, singt dort knapp drei Stunden seine Hits und kehrt zurück nach Long Island. Bei der "Residency" am 9. Mai dürfte die Stimmung eine Besondere sein: Es wird Joels Jubiläumskonzert zum 70. Geburtstag sein.
Der andauernde Erfolg des Mannes, der am 9. Mai 1949 als Kind eines deutschen jüdischen Vaters und einer britischen jüdischen Mutter im Arbeiterviertel Bronx geboren wurde, ist erstaunlich. Nie war er so eindeutig Arbeiterklasse wie Bruce Springsteen, nie so intellektuell-warmherzig wie Simon & Garfunkel. Ohne Dämonen blieb Joels Leben nicht: Depressionen Anfang der 70er Jahre und einen Selbstmordversuch, bei dem er nach eigenen Angaben versuchte, sich mit Möbelpolitur das Leben zu nehmen, hat er überstanden. Inzwischen hat William Martin Joel seit mehr als 25 Jahren kein Album mit neuer Popmusik mehr veröffentlicht. Der Americana-Pop des von der Kritik stets etwas belächelten Songwriters verkauft sich beim überwiegend weißen US-Publikum aber trotzdem immer noch hervorragend.
Auf sechs Grammys, 13 Top-Ten-Singles und knapp 85 Millionen verkaufte Alben kommt Joel laut dem Verband der Musikindustrie der USA, RIAA - weltweit sind es laut Joels eigener Homepage 150 Millionen. Der "Piano Man", sein heutzutage vielleicht bekanntester Song, schaffte es aber in den Billboard-Charts der USA im Jahr 1974 nur auf Platz 25. "It's Still Rock 'n Roll to me", "We Didn't Start the Fire" und "Tell Her About It" landeten dagegen alle auf der Eins.
Auch Joels Konzerte sprengen die Vorstellungskraft im schnelllebigen Pop-Geschäft: 1978 spielte er zum ersten Mal im 20.000 Personen fassenden Madison Square Garden, auf 110 Konzerte und mehr als zwei Millionen verkaufte Tickets kommt Joel laut Veranstalter dort insgesamt.
Wer einmal ein solches Konzert besucht, versteht das Erfolgsgeheimnis des Songwriters schnell: Billy Joel gibt den Massen, was sie verlangen. In der ersten Hälfte der Shows geht das sogar soweit, dass er dem Publikum stets zwei Songs eher aus der zweiten Reihe anbietet und den Applaus entscheiden lässt, was er spielt. Auf einem kleinen Monitor im Klavier erscheint dann das Lied und Joel singt und spielt es routiniert in die Arena. Auf einer Videoleinwand tummeln sich dazu Stahlarbeiter und New-York-Bilder der 70er Jahre, und vor dem fast zu 100 Prozent weißen Publikum fällt kein Wort über die Politik da draußen.
"Schließ' deine Augen, und es ist wieder 1982", hat der "New Yorker" dieses Konzept genannt. Wenn dann in der zweiten Konzerthälfte die unverzichtbaren Klassiker "Uptown Girl", "River Of Dreams" oder "She"s Always A Woman To Me" gespielt werden, geht das Publikum begeistert mit und schwelgt spürbar in Erinnerungen an die zurückliegenden Jahrzehnte - womöglich auch an Zeiten, die sich im Nachhinein einfacher anfühlen.
Die gelangweilte Geld-Elite
Nicht alles an diesen Nostalgie-Messen passt noch in die heutige Zeit. Während der Songs zeigen die Riesenleinwände aus dem Publikum beispielsweise fast ausschließlich junge, weiße Frauen. Laut "New Yorker" war Joel schon vor Jahren der Tatsache überdrüssig, dass auf den teuersten Sitzen direkt vor ihm häufig die gelangweilte Geld-Elite der Stadt saß. Seitdem schwirren seine Mitarbeiter vor dem Konzert auf die oberen Ränge aus und suchen nach Frauen, die in die zuvor frei gehaltene erste Reihe gebeten werden.
Ans Aufhören denkt der bullige Glatzkopf derzeit weder im Privatleben noch auf der Bühne. Zum vierten Mal ist er inzwischen verheiratet, erst 2015 hat er mit der mehr als dreißig Jahre jüngeren Alexis Roderick ein zweites Kind bekommen. Mit Blick auf sein Berufsleben beteuert er immer wieder, so lange weiterspielen zu wollen, wie sich jeden Monat alle Plätze im "Garden" ausverkaufen - dem Ort, der erscheint, wenn man bei Google Maps "Billy Joels House" eingibt.