Zwei Jahre ist es her, dass Ebow ihre Platte "Komplexität" veröffentlicht hat. Die in Wien lebende Rapperin hat seitdem so Einiges erlebt. Mit "K4L" bringt sie am Freitag erneut ein lautstarkes Statement auf den Markt. "Mir war total klar, dass ich ein Community-Album mache", so die gebürtige Münchnerin. Für die 14 Tracks bedeutet das: Identität, Sprache, Kultur - alles geht Hand in Hand.

Der Titel ist eine Abkürzung für "Kanak 4 Life" und bezieht sich gleichermaßen auf die türkischen Wurzeln der Musikerin wie die gesamte Diskussion über verschiedene gesellschaftliche Schichten und Milieus. Am Anfang steht etwa ein kurdisches Lied, das ihr Cousin singt. "Es musste unbedingt damit beginnen", betont Ebru Düzgün, wie Ebow bürgerlich heißt, im Interview. "Wenn ich über Identität rede, dann sehe ich meinen Ursprung schon darin, dass ich Alevitin und Kurdin bin." Das Lied behandle typische Themen wie Sehnsucht, "einfach sehr leidend und sehr hoffnungsvoll. Es ist der Ursprung, es ist der Kern."

Davon ausgehend, entwickelt Ebow eine Soundästhetik, die mit der inhaltlichen Direktheit gleichzieht. Harte Beats und melodiöse Abschnitte wechseln sich ab, poetische Lyrics treffen auf aggressivere Passagen. Und stets steht die Gruppe, die Gemeinschaft im Vordergrund. "Ich wollte weg von der Annahme, dass eine Person das Genie ist, die alles kreiert. Stattdessen bin ich ja ein Produkt dessen, was mich umgibt - meine Freunde, meine Familie." In der deutschen Hauptstadt, wo sie vergangenes Jahr am Berliner Ensemble mit der österreichischen Regisseurin Christina Tscharyiski zusammengearbeitet hat, habe sie etwa "die große, queere Kanak-Community" stark beeinflusst. "Es ist krass, wenn du merkst: Da bewegt man wirklich etwas."

"Gemeinsam bringt man etwas weiter"

© APA/HELMUT FOHRINGER

Gemeinsam bringe man schließlich etwas weiter, so Ebow. "Es herrscht einfach oft das Denken vor: Die Welt ist scheiße, daher musst du alles so machen, damit es dir gut geht. Dazu sage ich: Nein! Wir müssen viel mehr Solidarität zeigen und zusammenhalten. Genau das wollte ich in ein Musikformat bringen." Ihr gelingt das sehr eindrucksvoll, nicht nur im Titeltrack, der dank Zeilen wie "Jedes Klischee bestätigt, in jeder 'Bild'-Zeitung verewigt" schnell im Ohr hängen bleibt. Auch die offensiv gestalteten "Slang" oder "AMK" wissen auf ganzer Linie zu überzeugen.

Dabei hatte Ebow ob der vielen Verpflichtungen - sie absolviert neben der Musik ihr Architektur-Masterstudium - eigentlich nur "zwei, drei Monate" Zeit für das Album. "Es kam einfach ein Projekt nach dem anderen. Trotzdem bin ich happy damit." Eine EP wäre jedenfalls keine Option gewesen. "Dafür war das Konzept zu groß", erklärt die Rapperin, die gleichzeitig festhält: "Ich bin auch ein Fan davon, dass sich Dinge organisch entwickeln. Ich gehe ja nicht in ein Album und sage: Jetzt mache ich eine feministisches Platte, und mein erstes Thema ist Menstruation, mein zweites Thema ist Gender Gap und so weiter. Es ist keine akademische Arbeit, ich will mir alle Freiheiten nehmen."

Unterstützt wurde sie dabei von Jonas Braun alias walter p99 arke$tra, mit dem sie auch bei den Gaddafi Gals gemeinsame Sache macht und der diesmal sämtliche Beats beisteuerte. "Wir haben gemeinsam überlegt, wohin es soundtechnisch gehen soll. Es war, wie einen Ball hin- und herzuwerfen. Elemente, die mir vorgeschwebt sind, hat er dann einfach mit seinem Stil verbunden." Auffällig ist dabei auch der hohe R'n'B-Anteil. "Früher habe ich mich das nicht getraut, weil ich meine Stimme nicht so geeignet fand", meint Ebow und schiebt lachend nach: "Aber fuck it, das ist mein Album!" Härtere Stücke und der atmosphärische Touch "gehören für mich emotional zusammen".

Einen zusätzlichen Dreh erfährt die Platte durch insgesamt drei Skits: Neben dem Intro gibt es da etwa die Journalistin und Bloggerin Hengameh Yaghoobifarah, die wortgewandt über die gleichzeitige Ablehnung und Aneignung türkischer Kultur spricht. Oder der Schriftsteller Senthuran Varatharajah, der abschließend aus seinem Buch "Von der Zunahme der Zeichen" vorträgt. "Er hat darin 'Blut im Mund' als Metapher für Schamgefühl benutzt. Weil man die Sprache nicht spricht, weil man nicht so aussieht, weil man diskriminiert wird", fasst Ebow zusammen. "Daraus wird das Bild vom Blut im Mund, weil man über seine eigenen Wörter stolpert. Weil man sich lieber auf die Zunge beißt, vor Angst, etwas zu sagen."

Sie selbst hat sich dafür zum Track "Schmeck mein Blut" inspirieren lassen, der dem Album als Single vorausging. Wie bei allem ein sehr bewusster Schritt, hat Ebow doch sämtliche Zügel ihrer Karriere in der Hand. "Aber eigentlich hätte ich lieber mehr Zeit, um neue Musik zu machen. Mich stresst es nicht, Künstlerin zu sein, sondern alles drum herum. Das versuche ich gerade auszulagern. Dabei musst du zunächst aber alles selbst machen, um zu begreifen: Worum geht es da, was muss da gemacht werden?" Artwork, Videodreh, Konzertbooking, Managementaufgaben - all das hat sie in der ein oder anderen Form gemacht. "Ich höre mich gerade an wie eine Unternehmensberaterin", lacht die Rapperin. "Aber als Künstlerin bist du auch ein kleines Unternehmen."