Ein Muthspiel ist immer für Überraschungen gut. Als vielbeschäftigter Dirigent und Komponist ist der eine Muthspiel, den sie Christian nennen, vor allem dafür bekannt, dass er musikalisch zwischen den Stühlen sitzt. Wo vor geraumer Zeit etwa seine Signations für Ö1 entstanden. Aber Christian Muthspiel hatte auch immer schon viel Jazztosteron in seinem musikalischen Organismus. Jazzbands sonder Zahl standen unter seiner Fuchtel, zuletzt sein Duo-Projekt mit dem Weltklassebassisten Steve Swallow.
Jetzt vertraute uns der gebürtige Judenburger exklusiv den Masterplan für seinen „musikalischen Schwerpunkt der nächsten Jahre“ an: das Orjazztra Vienna. Unter strengster Geheimhaltung hat Muthspiel der Ältere ein 18-köpfiges Jazz-Orchester gegründet, das er ausdrücklich nicht als Big Band bezeichnen möchte, da ihm dabei „zu viele Klischees auftauchen“, die er unbedingt vermeiden möchte. Aber „es wird sehr groove-orientiert“, wie man schon aus der Besetzung mit zwei (!) Schlagzeugern und zwei Bassisten schließen kann. Dennoch sei die Richtung „ein sehr kultivierter, akustischer Orchesterklang“, der Muthspiels Arbeit als klassischer Dirigent mit dem Jazz verbinden soll. Da erwarten uns wohl hübsch komplexe Partituren. Und Muthspiel will damit „weit weg vom Sound und der Besetzung üblicher Big Bands“ und explizit ohne Elektronik auskommen.
Rekrutiert hat der Pianist und Posaunist das Orjazztra Vienna vornehmlich aus jungen Musikern der heimischen Szene, wobei der signifikant hohe Frauenanteil augenfällig ist. Einzig der renommierte Saxophonist Gerald Preinfalk mag sich da gewissermaßen als alter Haudegen hervorheben. Mit Mario Rom und Gerhard Ornig wurden auch gleich die zwei führenden steirischen Spitzentrompeter einberufen.
Der 56-Jährige möchte mit seinem Orchester die Tradition der Großformationen im zeitgenössischen Jazz weiterdenken, „wie geht der Weg weiter von Gil Evans, Carla Bley und Maria Schneider“. Und damit „in Österreich wieder eine langfristig agierende Großbesetzung schaffen, die auch international Gewicht bekommen soll“.
Das Tor dazu steht jedenfalls bereits offen, wird doch das Orjazztra Vienna beim großen Jubiläum des Jazzfestival Saalfelden (40. Ausgabe) am 24. August 2019 seine Premiere feiern. Danach stehen bereits Konzerte in Innsbruck, Linz, Salzburg, Graz, Dornbirn, Budapest und sechs Mal als Stage Band im Wiener Porgy&Bess auf dem Reiseplan der Jungfernfahrt.
Otmar Klammer