Die Toten Hosen haben am Freitag in der Wiener Stadthalle ihr "34. Auswärtsspiel" in Wien absolviert, zumindest nach Zählung ihres Sängers Campino. Es ist einmal mehr ein Auswärtssieg geworden, obwohl die phänomenale Stimmung einem Heimspiel entsprach und der souveränen Leistung der Mannschaft gerecht wurde. "Wir haben gerade einen guten Lauf, keine Frage", sagte Campino vor dem Anpfiff.

Mehr als zweieinhalb Stunden fegten Die Toten Hosen über den Platz - vom Krawallopener "Urknall" über Gassenhauer wie "Bonnie & Clyde" und "Liebeslied" bis zu "Opel-Gang", dem Anarcho-Mitgröl-Feger aus den Anfangstagen der 1983 gegründeten Punkrock-Formation ohne Berührungsängste mit dem Pop. Dazwischen lagen große Hits ("Altes Fieber", "Alles aus Liebe"), aber auch zahlreiche aktuelle Stücke aus dem Album "Laune der Natur". Alle 36 (!) gebotenen Songs waren Volltreffer, es gab keinen einzigen Fehlschuss.

Aktuelle Relevanz

"Die Existenzberechtigung der Band beruht darauf, dass auch die aktuellen Lieder eine Relevanz haben. Dass die Leute nicht nur kommen, um 'Hier kommt Alex' zu hören", betonte Campino im Interview mit der APA. "Das Lied macht sicher Spaß, aber es darf nicht sein, dass das Publikum nur geduldig wartet, bis wir es spielen. Wir müssen die Leute auch mit den neuen Sachen berühren." Diese Taktik haben Die Toten Hosen in ihrem "Auswärtsspiel" (der Song fehlte ebenfalls nicht im Programm) perfekt umgesetzt.

Immer wieder spielten sich Campino und das Publikum die Pässe zu: "Wünsch DIR was" und "Steh auf, wenn du am Boden bist" wurden kollektiv in der seit Wochen ausverkauften Halle mitgesungen, bei "Niemals einer Meinung" badete der agile 55-Jährige, unterstützt von einer gut geölten Band mit merkbarem Spaß an der Sache, buchstäblich in der Menge. "Wir haben derzeit eine gute Energie und fühlen uns gesund. Außerdem sind wir warmgespielt. Das ergibt eine super Mischung", analysierte Campino das Match.

Streicherensemble

Bei manchen Stücken wurden Die Toten Hosen von einem kleinen Streicherensemble begleitet. Dieses verpasste nachdenklicheren Liedern wie "Nur zu Besuch" zusätzlich Gänsehautatmosphäre, bei "Europa" sprach Campino zum einzigen Mal an diesem Abend die Politik an und erinnerte an die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer. Die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Albernheit ("Zehn kleine Jägermeister") funktioniert bei dieser Band.

Ausgelassen Weihnachten gefeiert wurde auch - mit einem punkigen "Little Drummer Boy", dem schwarzhumorigen "Weihnachtsmann vom Dach" und dem von Gitarrist Andreas "Kuddel" von Holst inbrünstig interpretierten "Still, Still, Still". Und dann war da noch diese Hymne, die selbst das Formatradio und die widerlichste Festzelt-Combo nicht totzuspielen vermag: "Tage wie diese" brachte alles auf den Punkt.

Nach einer kleinen privaten Auszeit ("wir fahren im Frühjahr nach Asien") drehen Die Toten Hosen im Sommer eine "Nachschlagrunde", wie es Campino ausdrückte. So gastieren die Düsseldorfer beim Nova Rock in Nickelsdorf (14. bis 17. Juni). "Uns ist natürlich klar, dass anschließend wieder eine längere Pause folgt. Davor wollen wir noch einmal alles geben", lautet das Versprechen.