Rockröhre und Musicalstar, Jazz-Interpretin und Poplegende - die US-Sängerin Helen Schneider hat sich immer wieder neu erfunden. In Deutschland wird sie seit ihrem furiosen Erfolgshit "Rock'n'Roll Gypsy" 1981 von Fans geliebt, seit 2007 lebt sie in Berlin. Am Samstag (23.12.), einen Tag vor Weihnachten, feiert sie hier ihren 65. Geburtstag.

"Das Schlimmste habe ich schon hinter mir", sagt die gebürtige New Yorkerin der Deutschen Presse-Agentur. "Für mich war die 64 die ganz große Nummer - wahrscheinlich wegen des Beatle-Songs 'When I'm Sixty-Four'." Damals legte sie ihren obligatorischen schwarzen Pagenkopf ab, verzichtete auf das jahrzehntelange Färben - und fühlt sich mit ihrer grau melierten Bubifrisur jetzt "leichter und jünger - richtig befreit".

Dass es sie nach Deutschland verschlagen hat, ist für Helen Schneider trotz ihrer Herkunft aus einer deutsch-jüdischen Familie "reiner Zufall". In Brooklyn aufgewachsen und anfangs streng orthodox erzogen, war sie als Kind der Woodstock-Generation früh von daheim abgehauen. Mit ihrer großen Liebe, dem Pianisten George Nassar, lebt sie ein freies Künstlerleben. Schon mit ihren ersten Alben "So Close" und "Let It Be Now" macht sie sich mit ihrer ausdrucksvollen, wandlungsfähigen Stimme in den USA einen Namen als begnadete Sängerin.

Steile Karriere

Nach der ersten Europatournee 1978 geht es auch in Deutschland Schlag auf Schlag. Sie tourt mit Udo Lindenberg durchs Land, ist die erste internationale Künstlerin, die im DDR-Heiligtum Palast der Republik auftreten darf, und sorgt bald auch als Musicaldarstellerin für Furore. In Berlin spielt sie an der Seite von Hildegard Knef die Sally in "Cabaret", in New York steht sie als Frida Kahlo auf der Bühne und in Andrew Lloyd Webbers Produktion "Sunset Boulevard" feiert sie als Stummfilm-Diva Norma Erfolge.

"Ich war immer relativ stur und wählerisch mit den Rollen, die ich angenommen habe", sagt sie in ihrem charmanten US-Deutsch. "Ich wollte etwas lernen. Und vor allem wollte ich nie etwas machen, das nicht zu mir passt." Nach fast zwanzig vielseitigen Alben, mehrere davon mit Gold oder Platin ausgezeichnet, erschien 2015 die Platte "Collective Memory". Die Sängerin verarbeitet darin den Tod ihres Mannes George Nassar - mit Texten ihrer Freundin aus Kindertagen, Linda Uruburu, und Melodien ihres langjährigen Gitarristen Jo Ambros.

Mentor und Manager

"George und ich waren 40 Jahre zusammen. Er war mein Mentor, mein Lehrer, mein Berater, mein Manager", sagt sie. "Die letzten zehn Jahre war er wegen einer Schwermetallvergiftung sehr, sehr krank. Zwei Jahre litt er an Demenz, er ging langsam in die Hölle." Helen Schneider kann sich nur mit Arbeit über die Zeit retten. Gemeinsam mit dem vertrauten Team der vorigen Produktion erschien dieses Jahr "Movin' On" - mit Songs, die vom Aufstehen, Mutschöpfen und Neuanfang erzählen. Vor allem Linda Uruburu hat ihr dabei geholfen, sagt sie. "Wir wohnen jetzt zusammen und gehen weiter gemeinsam durchs Leben."

Auch beruflich fühlt sich Helen Schneider wieder bereit, etwas Neues anzufangen. Neben den Liederabenden mit ihrer Platte und zahlreichen Musicalauftritten hat sie für das kommende Jahr eine Gastdozentur an einer Hamburger Theaterakademie angenommen. "Das Leben ist keine gerade Linie, es ist eher eine Spirale", sagt sie. "Mal sehen, wohin mich die neue Erfahrung führt."