Er war auf der "Road To Hell" - jetzt ist er wieder vollkommen (a)live: Chris Rea hat seinen Bauchspeicheldrüsenkrebs und einen Schlaganfall überlebt und ist auf die Bühne zurückgekehrt: Freitagabend auf jene der Halle F der Wiener Stadthalle. Und der sympathische Brite präsentierte seinen Fans nicht nur alte Hits, sondern auch sein im September veröffentlichtes Album "Road Songs For Lovers".
Die Begeisterung in der mit rund 2.000 Gästen ausverkauften Halle war entsprechend groß. Denn viel hatte man von dem mittlerweile 66-Jährigen seit seiner "Abschiedstournee" im Jahr 2006 nicht gehört - außer Schreckliches. Im Jahr davor hatte der Singer/Songwriter und Gitarrist ja quasi als therapeutischen Brachialakt die Mega-Box "Blue Guitars" mit elf Blues-lastigen CDs, einer DVD und einem Bildband mit eigenen Gemälden fertiggestellt. Nicht wenige Fans sahen in dem Monsterwerk, bei dessen Produktion Rea auch gleich 14 Instrumente selbst spielte, eine Art Vermächtnis für den Fall, dass der Künstler den jahrelangen Kampf gegen den Krebs verlieren würde - was sehr wahrscheinlich war, denn die Überlebensrate beim Bauchspeicheldrüsenkarzinom liegt deutlich unter 10 Prozent.
Und zehn Jahre später ist er wieder da - und der Opener auf seinem aktuellen Album war sicher nicht zufällig gewählt: "Happy On The Road". Auf der Bühne eröffnete Chris Rea mit dem fetzigen "The Last Open Road". Und sehr bald war klar: Da steht einer - endlich wieder - auf den Bühnenbrettern, der völlig Hitparaden-befreit agieren kann: kein Softrock mehr, sondern einige Grade mehr Härte. Mit einer tiefen, immer präsenten Stimme und blues-rockiger Gitarre. Ganz intensiv "blue" war etwa "Easy Rider", mit treibender Slideguitar großartig rockig "Money". Dazwischen gab es dennoch auch besinnliche, äußerst intensive Momente, beispielsweise bei "Two Lost Souls", das Chris Rea zur schlichten Keyboard-Begleitung mit unglaublich dichtem Gesang interpretierte.
Beim Outro von "Stony Road" bewies der einstige Softrock-Hitparaden-Star dafür, dass er ein ganz großer, fetziger Rockgitarrist ist - er "würgte" sein Instrument tatsächlich so lange, bis er an einem Finger blutete. Aber solche Kleinigkeiten können einen Menschen, der statistisch gesehen tot ist, jahrelange Schmerzperioden erlitten und wegen der Behandlung dann auch noch Morphium-abhängig geworden war und das überwunden hat, nicht wirklich aus dem Takt bringen.
Also setzte der Ausnahmemusiker nach einem grandiosen Gitarren-Intro als Höhepunkt des regulären Sets zu einem seiner größten Hits an: dem apokalyptischen "Road To Hell". Als Zugaben folgten dann noch "On The Beach" - deutlich prägnanter als das auf Radio-Tauglichkeit weichgespülte Original, am Ende sogar im Reggae-Rhythmus - und als Rausschmeißer das flotte "Let's Dance". Spätestens zu diesem Zeitpunkt hielt es keinen der eher mittelalterlichen Fans mehr auf den plüschigen Sitzen der Halle F.
Werner Müllner/APA