Mit einem gespenstischen Instrumentalstück wurde diese Rock-Andacht am 1. November in der Wiener Stadthalle, die mit rund 12.000 Menschen prall gefüllt war, eröffnet, bevor der geniale Wanderprediger Nick Cave und seine Bad Seeds die Bühne betraten. Zum Auftakt gab es gleich drei Songs aus dem aktuellen Album "Skeleton Tree"; einer berührenden Todesfuge für den 15 Jahre alten Sohn, der 2015 über eine Klippe in den Tod gestürzt war. Diese Songs wüten so verzweifelt und intensiv und sind gleichzeitig voll Zärtlichkeit, dass sie nahe der Schmerzgrenze liegen.

Überhaupt der ganze Abend, diese zweieinhalb Stunden, für die das Wort "Konzert" wohl zu kurz greift. Vielmehr war das eine berauschende, hypnotische, tieftraurige, aber dennoch hoffnungsvolle Seelenmesse, in der die Narbenschau nicht zur Nabelschau geriet.

Fast sämtliche Songs aus "Skeleton Tree" hat Cave ins Scheinwerferlicht gerückt, sperrige Perlen allesamt, aber voll majestätischer Schönheit. Immer wieder suchte er die Berührung mit dem Publikum, tobte wie ein irrlichternder Derwisch über die Bühne, die eckigen Bad Seeds wechselten zwischen brachialen Soundgewittern und friedvollen Balladen; Warren Ellis - der kongeniale Waldschratt und Klangzauberer an Violine und Gitarre - ist ein Qualitätskapitel für sich.

Auch seine großen Meilensteine hatte Cave im Koffer. Den Ship Song, den Mercy Seat, den Weeping Song und natürlich die Mörderode Stagger Lee. Bei diesem Song und dem letzten Lied - Push The Sky Away - holte Cave Dutzende Menschen aus dem Publikum auf die Bühne. Ein würdiger Abschluss, ein gemeinsames Hinaustaumeln aus einer schmerzhaften, aber vielleicht auch heilsamen Seelenmesse.

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