Andreas Spechtl hat sich auf ungewohntes Terrain
gewagt: Der österreichische Musiker, Sänger der Formation Ja, Panik,
hat sein neues Soloalbum "Thinking About Tomorrow, And How To Build
It" in Teheran aufgenommen.

Sie haben Ihr neues Album im Iran aufgenommen. Wie kam es
dazu?

Andreas Spechtl: Ich wollte einfach längere Zeit in dieses
Zentrum des europäisch-daherfantasierten Bösen fahren und da ein
bisschen Zeit verbringen. Sei es in ein persisches Land,
Afghanistan, der Iran. Für Teheran gab es dann vom Goethe-Institut
ein Stipendium. Erst dann folgte die Überlegung: Was mache ich da?
Ich wollte einfach dort mit den Leuten leben. Ich war noch in keinem
Land der Welt, wo es so schwierig gewesen wäre als Einzelperson -
ohne dass man jemanden kennt - da überhaupt reinzukommen. Auch als
Tourist ist es ganz schwierig. Du findest wahrscheinlich nicht mal
ein Konzert, auf das du gehen kannst, von denen es aber Tausende
gibt.

Wie sah der Entstehungsprozess der Songs vor Ort aus?

Es war schon vorher klar, dass ich einige Konzerte geben
werde. Und da entstand die Idee, dass ich nur Sachen spiele, die
auch dort entstehen. Ich wollte erstmal nichts mitbringen. Also habe
ich mich da ziemlich grob hineingeworfen. Ich habe bei Saba
Alizadeh, einem Musiker, gewohnt und konnte auch dessen Arbeitsraum
nutzen, in dem er viele persische Instrumente hatte. Also habe ich
einfach an den Saiten gezupft und mir das Zeug aufs Keyboard gelegt.
So entstanden, sehr frei und improvisiert, erste Samples. Die Leute
fanden das dann auch spannend, weil sie mir über die Zeit von zehn
oder zwölf Konzerten dabei zuschauen konnten, wie ich daran arbeite.
So wurden die Skizzen immer konkreter, es wurden Songs daraus. Und
als ich dann nach zwei Monaten heimgefahren bin, war das Gröbste der
Platte eigentlich schon fertig.

Mit Alizadeh präsentieren Sie das Album auch in Wien. Wie
darf man sich das live vorstellen?

Die Live-Umsetzung ist nicht einfach. Selbst das, was er
eingespielt hat, wurde von mir verfremdet. Mir war diese Aneignung
sehr wichtig, ich wollte keinen exotistischen Paul-Simon-Wahnsinn
machen. Insofern ist es eine Herausforderung, das auch live
umzusetzen. Wir haben ja beispielsweise in einem leer stehenden
Wasserreservoir aufgenommen, was einen ganz speziellen Sound erzeugt
hat.

Wie sind die Konzerte in Teheran zustande gekommen?

Saba hat mich sofort an die Hand genommen, er hat auch
vieles organisiert. Man muss bedenken, dass viele davon illegal
waren. Es geht gar nicht anders, da sie nicht erlaubt sind. Du bist
da ständig in der Illegalität, auch wenn das bei uns einen anderen
Klang hat. Wenn du mal drinnen bist, ist das einfach Alltag, und du
brichst jeden Tag das Gesetz. Es war für mich auch die einzige Form,
mitzumachen, um das Leben so führen zu können. Natürlich kann etwas
passieren, aber es ist auch nicht so oft der Fall. Seit Rohani ist
eh alles anders (Hassan Rohani ist seit 2013 Präsident des Iran,
Anm.). Man merkt schon, dass sich viel ändert, und man kann
zuschauen, wie sich dieses Land öffnet. Allerdings wurden die
Gesetze eigentlich nicht geändert, sie werden nur nicht so hart
exekutiert.

Gibt es dort überhaupt so etwas wie eine Popszene?

Es gibt dort nicht diese Unterscheidungen wie hier. Bei
uns gibt es große Abspaltereien, da funktioniert die falsche Band im
falschen Club nicht, könnte man sagen. Und zwischen den
verschiedenen Künsten gibt es wenig Berührungspunkte. Dort ist es
anders: Die Szene ist klein und überschaubar. In ganz Teheran wohnen
rund zwölf Millionen Leute. Es wird nicht zwangsläufig zwischen
Indie, Pop oder Electronic unterschieden. Alles passiert an
denselben Orten, viel etwa in Galerien. Das sind Safe Spaces, die
oft privat sind. Da gibt es nicht nur Musik, sondern auch
Ausstellungen, Lesungen, Theater. Die Kunstformen funktionieren
nebeneinander.

Und wie politisch sind die Künstler?

Es ist einfach politisch, was sie machen - sie müssen
gar nicht darauf hinweisen. Gerade wenn du Kunst machst, die nicht
traditionell oder linientreu ist. Daran krankt hier im Westen schon
viel: In dem Moment, wo so vieles möglich ist und wirkungslos
bleibt, muss man dauernd auf seine eigene politische Haltung
hinweisen. Das meine ich gar nicht wertend. Aber der Iran ist ein
Land, in dem du Mitte der 90er mit einem Musikinstrument in der Hand
verhaftet worden bist und dein Instrument zerstört wurde. So wurde
schon das Tragen einer persischen Geige zum politischen Akt, und das
ist immer noch spürbar.