Es dauert fast zwei Minuten: In dieser Zeit vernimmt man gehauchte Stimmen, eine reichlich verzerrte Atmosphäre und prägnante 80er-Anleihen. Aber dann knallt es wie gewohnt - die Queens Of The Stone Age sind zurück. Auf der neuen, am Freitag erscheinenden Platte "Villains" haben Josh Homme und Co offenbar ihren Hüftschwung wieder entdeckt. Unter der Leitung von Mark Ronson geht es ab in die Disco.
Dass der Opener auf den Namen "Feet Don't Fail Me Now" hört, ist in diesem Zusammenhang nur konsequent. Die aus den Wüstenkönigen Kyuss hervorgegangene Gruppe hat sich in den vergangenen 20 Jahren eine Stellung im Rockbusiness erspielt, die gleichermaßen auf hemdsärmeligen Riffs wie augenzwinkernder Sexyness beruht. Allen voran ist dafür Zwei-Meter-Hüne Homme verantwortlich, der als Kreativkopf nicht nur mit seiner gern ins Falsett kippenden Stimme für Gänsehautmomente sorgt. "No One Knows", "Lost Art Of Keeping A Secret", "Little Sister" - der US-Amerikaner hat einfach ein Händchen für eingängige Songs.
Zuletzt schien er aber etwas aus der Übung gekommen. Vor zehn Jahren kam "Era Vulgaris" mit einer gar zu verkopften Experimentierfreude um die Ecke, der Wiedererkennungswert ging eine Spur weit verloren. 2013 besann man sich mit "...Like Clockwork" auf alte, stark dem Stoner Rock entliehene Tugenden, trotzdem blieb es bei einem nicht vollends überzeugenden Aufguss einstiger Glanztaten. Nun scheren sich Homme, Gitarrist Troy Van Leeuwen, Bassist Michael Shuman, Keyboarder Dean Fertita sowie Drummer Jon Theodore aber offenbar wieder wenig um Erwartungen und ziehen ihr eigenes Ding durch.
Der legendäre Produzent Mark Ronson
Dass das durchaus mutig ist, bewies schon die Ankündigung, mit dem britischen Produzenten Mark Ronson gemeinsame Sache zu machen. Den kennt man neben seiner höchst erfolgreichen Solotätigkeit auch als Songveredler solcher Popgrößen wie Lady Gaga, Paul McCartney oder Bruno Mars. Passt das zusammen? Der erste Hördurchgang macht klar: Ja. Eine Lockerheit und Spielfreude scheint die Queens wieder erfasst zu haben, Schlagzeug und Bass dürfen durch die Stücke stampfen, während Hommes Stimme über dem Geschehen schwebt und die Richtung vorgibt. Man merkt: Gitarren haben auch auf der Tanzfläche ihre Berechtigung.
Das bedeutet zudem, dass der düstere Zugang, den Homme gerne an den Tag legte, einem neuen Optimismus gewichen ist - etwa in der Single "The Way You Used To Do" nachzuhören. Wie er sich hier im Refrain nach oben schraubt, beinahe zutraulich den Hörer umschmeichelt und Liebe einfordert, hat ungemein viel Charme. "Der wichtigste Aspekt in der Entstehung dieser Platte war die Neudefinition unseres Sounds", wird der Musiker von seinem Label zitiert. "Wenn du Platten machst und dich nicht weiterentwickelst, dann wirst du zu einer Parodie deines ursprünglichen Klangs."
Neue, spannende Wege
Nun, das zu vermeiden ist den Queens Of The Stone Age definitiv gelungen. Die Gruppe lässt sich Zeit, geht in "Domesticated Animals" immer neue Wege, um das zugrunde liegende Motiv zu erweitern. "Fortress" überrascht gar mit einer Streicherpassage, ein Novum bei dieser Band. Die Melancholie ist durchaus noch vorhanden, allerdings ist sie nicht mehr alleiniger Zweck der Songs. Behutsam werden verschiedene emotionale Zustände aufgebaut, um sie im nächsten Moment infrage zu stellen. Ein wesentliches Tool dafür ist die Einbindung von teils recht kitschigen 80er-Sounds, die einen prägnanten Gegenpart zur erdigen Grundausrichtung der Queens bilden.
Aber es geht auch knackig, wie "Head Like A Haunted House" beweist: Lo-Fi im besten Sinne, wähnt man sich kurz gar bei Hommes Zweitprojekt Eagles Of Death Metal, das er gemeinsam mit Jesse Hughes betreibt. Aber ein Queens-Song war und ist dann doch noch etwas vielfältiger, schlägt Haken und lässt sich nur schwer packen. "Un-Reborn Again" wird zur lustvoll mäandernden Meditationsübung der härteren Schule und der Schlusstrack "Villains Of Circumstance" ist wohl Hommes Vorstellung eines Schlagersongs, was durchaus positiv gemeint ist. Insgesamt suhlt sich "Villains" geradezu in der ausgerufenen Suche nach der eigenen Standortbestimmung. Zwischen Stadionrock, verrauchtem Punkclub und der verschwitzten Disco ist aber offenbar genügend Platz, um sich ein kleines Universum aufzumachen. Ob alle Fans diesen Weg mitgehen, ist allerdings eine andere Frage. Untersuchen lässt sich das wohl beim Wien-Konzert am 5. November in der Stadthalle.