Mitunter konnte man es einfach nicht glauben, wenn man auf die Bühne blickte und dort bei bombastischen Klängen nur Folgendes vorfand: einen Mann, eine Gitarre und sonst – nix. Es war der große Headliner-Auftritt von Ed Sheeran am ersten Tag des Frequency Festivals, bei dem der britische Popstar wieder einmal seinen Schmäh mit der Loop-Station (Anm.: elektronisches Gerät zur Herstellung von Klangschleifen) aus der Kiste kramte – und damit eineinhalb Stunden lang 45.000 Konzertbesucher gänzlich alleinunterhielt.
So reduziert sein Bühnen-Set-up war, so ausladend seine Popgeste: Immergrüne Hits und Schmachtfetzen wie „Thinking Out Loud“, „Perfect“ oder „Castle On The Hill“ lösten verlässlich das Schunkelfieber aus, während die tanzbaren rhythmusgetragenen „Shape Of You“ und „Shivers“ bewiesen, dass auch eine Akustikgitarre zu mehr als nur Lagerfeuer-Untermalung fähig ist.
Mit Rap-Einlagen, die wohl auf seine Verehrung von Rapper Eminem zurückzuführen sind und einem Medley mit Motown/Soul-Klassikern wie „Superstition“ und „Ain’t No Sunshine“ wagte Ed Sheeran entbehrliche Genre-Exkurse, während er das Publikum redselig zum munteren Mitmachen anregte. Dabei verlangte er diesem Beträchtliches ab – nicht jeder kann mit Sheerans gesanglichen Steilvorlagen mithalten – bei „sing shalalalalalala“ wollte es dann doch gelingen.
Vom Buben zum Barden
Ed Sheeran bestätigte am Mittwochabend, an dem er nach zwölf Jahren zum ersten Mal wieder am Frequency auftrat, letztlich erneut seine blonde Eminenz als wuschelköpfiger Kuschelpopbarde, dessen selbstfabrizierte Lieder über nostalgische Kindheitserinnerungen an der englischen Küste und durchzechte bierselige Pubnächte ein breites Publikum verlässlich zum Schmusen und Schmachten einladen.
Unaufgeregt und authentisch, mit einer gehörigen Portion Kleinstadtcharme und britischem Humor zementiert er mit jedem seiner Auftritte seine Reputation als sympathisch-neckischer Nachbarsjunge ein, während er mit großen Stars wie Taylor Swift, Beyoncé und Justin Bieber locker nebenbei ein paar Welthits schreibt. Auch mit den 45.000 Fans am Frequency kommuniziert Sheeran als ob er sich gerade mit einer gemütlichen Pubrunde unterhielte, oder als Troubadour mal kurz für einen Plausch und ein paar Ständchen unter dem Fenster verweilte.
Für das beseelte Publikum ging es an diesem Mittwochabend nach Ed Sheeran dann ohne Zugabe wieder zurück zu den Zelten – gänzlich unaufgeregt.
Vorprogramm mit Bierzelt-Rap
Bodenständig, aber auf die andere Art, ging es hingegen bei früheren Acts an diesem ersten Frequency-X-Tended-Tag zu. Da war zum Beispiel Tream, der selbsternannte bayrische „Popschlagerrapper“, der es vermochte, das Oktoberfest kurzerhand in den August zu verpflanzen, was insbesondere durch seine Lederhosenkluft und in Mundart gesungenen huldigenden Heimatlieder über Bergsehnsucht vortrefflich gelang. Ein gemeinsam angestimmtes „I Am From Austria“, geschmackvoll durch Treams Frage „Oida, wos is die Nationalhymne?“ eingeleitet, verzückte das Publikum. Zum Abschied sagte er laut „Servus“.
Calum Scott, ein britischer Popsänger, dessen Einstieg in die Musikwelt einst durch eine Maroon 5-Coverband namens „Maroon 4“ gelang, wärmte die Bühne für Ed Sheeran auf – aber eher nur bis zu lauen Graden. Mit schmerzverzerrten Schnulzen lieferte er musikalisch sterile Stangenware, konnte aber durch seinen Hit, ein Cover von „Dancing On My Own“, und hymnische Darbietungen die Massen begeistern.
Florentina Finder