Liebe Geliftete!“ Die Ansprache ans Elevate-Publikum durch den Bundespräsidenten war launig und spielte auf die Vielfachbedeutung des englischen Verbs „elevate“ (erheben, aufrichten usw.) an. Dabei waren bei der Eröffnung eher gedämpfte Töne vorherrschend. Friedensnobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk meldete sich via Livestream aus Kiew und betonte die Dramatik des Kriegs: „Ich lebe in einer Stadt, die ständig unter Beschuss ist. Nicht nur durch russische, sondern auch durch Raketen aus dem Iran und Nordkorea. Der totalitäre Block kämpft gegen die Demokratie. Es ist ein Krieg, nicht zwischen zwei Staaten, sondern zwischen zwei Systemen, der große Teile der Welt destabilisiert.“
Vor der Nobelpreisträgerin lieferten Diskurs-Kuratorin Irina Nalis und Elevate-Gründer Bernhard Steirer eine Vorschau auf das vielschichtige Festivalprogramm, das am Sonntag mit einem Konzert der irischen Elektro-Pop-Künstlerin Róisín Murphy zu Ende geht. Moderiert wurde die Eröffnungsveranstaltung von der finnischen, in Wien lebenden lesbisch/queer feministischen Performancekünstlerin Denice Bourbon im Glitzerkleid, die den Bundespräsidenten als „charmantesten Hundefreund Wiens“ begrüßte, zwischen aller Launigkeit aber auch ernste Töne anschlug: „In dieser Gesellschaft herrscht ein Meinungsüberschuss, bei Sexismus und Rassimus haben viele aber keine Meinung.“ Vor der „Bewirtschaftung von Problemen durch Rechtsextreme“ warnte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der wie alle anderen Politikerinnen und Politiker Geschenke zum 20-er des Festivals mit hatte – einen Globus. Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) kam mit einer Collage samt der allerersten Presseaussendung des Festivals. Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) überreichte nicht nur Blumen und einen Pokal aus dem Bürgermeisterinnenamt, sondern auch eine Sonnenbrille „gegen Verblendung“. Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) hatte „Candide“ als Präsent dabei, Voltaires Parodie über die „beste aller Welten“.
Prominentester Polit-Gast war aber wie erwähnt der Bundespräsident. Alexander Van der Bellens Ansprache trug den Titel „Ein unsichtbares Band“: „Es verbindet uns miteinander, woher wir auch kommen, welche Träume wir auch verfolgen. Dieses Band sind unsere gemeinsamen Werte. Unsere europäischen Werte: Menschenrechte, die liberale Demokratie mit Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt, Frieden. Freiheit. Was wäre nun aber ohne unsere Freiheit? Ohne Menschenrechte? Ohne liberale Demokratie? Ohne Frieden? Was wäre, wenn Frauen hier keinen Zutritt hätten? Wenn ein kritisches Wort am Podium für uns spürbare Nachteile bringen würde?“ Und, so Van der Bellen weiter: „Vor den Toren Europas stehen Autokraten, die dabei sind, das Band zu durchtrennen, aber auch in unseren Nachbarländern hält man schon die Schere in der Hand, beschneidet die Rechte der Medien, die Rechte der Frauen, die Rechte von LGBTQIA+ Menschen. Hier in Österreich wird an den Grundpfeilern der liberalen Demokratie gesägt.“ In Hinblick aktueller Ereignisse meinte er: „Nawalny ist die Spitze des Eisbergs, von dem, was in Russland gerade passiert.“ Die Freiheit war also das große Thema der Eröffnung, oder wie es Matwijtschuk knapp zusammenfasste: „Freiheit ist nicht, unter verschiedenen Käsesorten auszuwählen.“