Nun ist es amtlich: "Nomadland" reüssierte nicht bei fast allen Filmpreisen im letzten Jahr, sondern auch bei den 93. Academy Adwards. Der Roadtrip als Abgesang auf Amerika holte sich auch die Königsdisziplin bester Film. Frances McDormand ist beste Hauptdarstellerin. Und Chloe Zhao, die den Film auch mitproduzierte, das Drehbuch schrieb und den Schnitt arrangierte, ist auch die beste Regisseurin dieses Oscar-Jahrgangs.
Zhao ist nach Kathryn Bigelow und ihrem Oscar 2010 für "The Hurt Locker" überhaupt erst die zweite Frau, die einen Regie-Oscar erhält. Mehr noch: sie ist die erste Chinesin und die erste Person of Color. Die Rede ist von Chloé Zhao. Die in China geborene und in Großbritannien und den USA aufgewachsene darf sich über den Goldritter in bester Regie für ihren Roadtrip "Nomadland" freuen. In dem bildgewaltigen Drama spielt Frances McDormand eine Witwe, die aus wirtschaftlicher Not ihr Hab und Gut in ein Auto lädt und als Nomadin durch die USA zieht. Bei ihrer Dankesrede unterstrich die 39-Jährige in poetischen Worten, dass sie immer noch an das Gute im Menschen glaube.
Sie ist nur eine der Frauen, die bei dieser 93. Oscarverleihung Geschichte geschrieben hat. Auch bei den Nebendarstellerinnen konnte sich erstmals eine Frau mit asiatischen Wurzeln durchsetzen: Yuh-Jung Youn wurde für ihren Part als schrullige Oma im Einwanderungsdrama "Minari" aus den Händen von Brad Pitt mit der Statuette gewürdigt. Nachdem sie die Gala in Südkorea stets im Fernsehen verfolgt habe, sei es nun umso surrealer, diese live zu erleben. "Ich glaube nicht an Wettbewerb", zeigte sich die Gewinnerin konziliant.
In der Kategorie bester Nebendarsteller setzte sich ebenfalls ein sogenannter Toprunner durch: Daniel Kaluuya für seine Rolle als Fred Hampton von der "Black Panther"-Bewegung im Drama "Judas and the Black Messiah". Dabei hatte sich der 32-Jährige anfangs mit einem kleinen Gebet bei Gott bedankt. Kaluuya spielt in dem Film über die Black Panther Party den Aktivisten Fred Hampton. Er wurde bereits 2018 für seine Rolle in dem Horrorfilm "Get Out" für den Oscar nominiert. In seiner Dankesrede erinnert er auch an Hampton. "Danke für dein Leben!", sagte er.
In der Kategorie bester Hauptdarsteller schaffte es Anthony Hopkins, der als demenzkranker Mann durch "The Father" brillant tänzelt, doch tatsächlich, dem Favoriten Chadwick Boseman posthum den Goldritter wegzuschnappen. 1992 für "Schweigen der Lämmer" geehrt, ist es sein zweiter Preis. Er ist nun mit 83 Jahren ältester Oscarpreisträger.
Zum Auftakt hatte Schauspielerin Regina King in einem live inszenierten Filmcredit das Bahnhofsgebäude der Union Station in Los Angeles City betreten. Diese dient, anders als traditionell, heuer nämlich anstelle des Dolby Theatres in Hollywood als Hauptaustragungsort des Events. 170 Stars samt Anhang fanden sich in dem historischen Bahnhofsgebäude ein, während im Dolby die Showelemente Platz finden sollen.
Zu Beginn wurden die beiden Drehbuchkategorien vergeben. Der Preis für das beste Originaldrehbuch ging dabei an das Rachedrama "Promising Young Woman": Die Britin Emerald Fennel, die den Film auch inszeniert hat, zeigte sich überwältigt. "Sie sagten: Schreib eine Rede. Aber natürlich habe ich keine geschrieben, weil solche Dinge normalerweise nicht passieren." Die Statue sei "so schwer und so kalt", lachte die Filmemacherin. Florian Zeller und Christopher Hampton durften sich indes über einen Oscar für das beste adaptierte Drehbuch ("The Father") freuen, wobei beide nicht in Los Angeles vor Ort waren, sondern ihre Statuetten in Paris respektive London entgegennahmen.
Gleich im Anschluss musste Österreichs kleine Oscar-Hoffnung, Jasmina Zbanics rot-weiß-rot-koproduziertes Bosnienkriegsdrama "Quo vadis, Aida?" sich in der Kategorie des Auslandsoscars geschlagen geben. Das Werk war von Bosnien-Herzegowina eingereicht worden, zog aber gegen Thomas Vinterbergs Trinkerparabel "Der Rausch" aus Dänemark in der Kategorie des besten internationalen Spielfilms den Kürzeren.
Auch bei den Animationsfilmen gab es einen Favoritensieg, konnte sich doch Pixars neues Werk "Soul" gegen die Konkurrenz durchsetzen. Selbiges gilt für "Mein Lehrer, der Krake", der sich bei den Dokumentararbeiten an Platz 1 etablieren konnte. Und die Rassismusanklage "Ma Rainey's Black Bottom" konnte in den beiden Kategorien Make-up und Haare sowie Kostüme ihre ersten beiden Trophäen für sich reklamieren. Ihre nominierten Hauptdarsteller gingen jedoch leer aus.
Die wirkliche Nullnummer des Abends war aber die eigentliche Gala selbst. Im Vorfeld war diese als erstes großes Showevent in der Coronakrise gedacht gewesen - und enttäuschte auf ganzer Linie. Im intimen Ambiente der Union Station von Los Angeles anstelle des traditionellen Dolby Theatres verzichtete man nicht nur auf Showelemente, Musikbeiträge oder in der Regel auch auf Ausschnitte aus den nominierten Werken, sondern vor allem gänzlich auf Humor. Stattdessen wurde die Veranstaltung im Stile redelastiger Preisverleihungen im Umfeld einer Provinzsparkasse vor 170 Stars plus Anhang abgehalten. Überraschenderweise blieb die Prägnanz aber selbst in den ausufernden Redebeiträgen vor die Tore des Bahnhofs verbannt. Weder spielte die Rassismusdebatte in den USA eine nennenswerte Rolle, noch fiel auch nur das Wort Covid - wenn man vom Produzenten Tyler Perry absieht, der mit dem Sonderpreis des Humanitarian Awards für sein soziales Engagement ausgezeichnet wurde.