Im Laufe des Vormittags (MEZ) lichtete sich der Nebel, wie es zur großen Panne bei der Oscar-Verleihung gekommen sein dürfte, wo mit "La La Land" zunächst der falsche Gewinner in der Kategorie "Bester Film" verkündet wurde, bevor mit "Moonlight" der wahre Sieger ausgerufen wurde. Der für die Ausgabe der Siegerumschläge zuständige Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers entschuldigte sich in einer Stellungnahme.
"Wir entschuldigen uns aufrichtig bei 'Moonlight', 'La La Land', Warren Beatty, Faye Dunaway und den Oscar-Zuschauern für den Fehler, der während der Vergabe des Preises für den besten Film geschehen ist. Den Präsentatoren wurde irrtümlich der Umschlag für die falsche Kategorie ausgehändigt – was umgehend korrigiert wurde, als man daraufgekommen ist. Wir untersuchen derzeit, wie das geschehen konnte, und bedauern zutiefst, dass dies passiert ist. Wir danken dafür, wie würdevoll die Nominierten, die Academy, TV-Sender ABC und Moderator Jimmy Kimmel mit der Situation umgegangen sind", so das Statement von PricewaterhouseCoopers.
Die Oscars liefen vor der Megapanne vor und hinter den Kulissen weitgehend wie eine gut geölte Maschine. Alles lief glatt, und sogar Schauspielerin Meryl Streep, die bekannt ist für ihren politischen Aktivismus, enthielt sich großer Reden. Jimmy Kimmel ließ Süßigkeiten von der Decke regnen, spielte den Soundtrack von "Der König der Löwen", holte Touristen von der Straße, lästerte ein bisschen über US-Präsident Trump, und die Favoriten Casey Affleck (Bester Hauptdarsteller), Emma Stone (Beste Hauptdarstellerin), Damien Chazelle (Beste Regie), Mahershala Ali (Bester Nebendarsteller), Viola Davis (Beste Nebendarstellerin) und Barry Jenkins (Bestes adaptiertes Drehbuch) gingen alle wie erwartet mit Trophäen nach Hause. Kein Glück hatte "Toni Erdmann" mit Peter Simonischek. Details hier.
Es gab kaum Überraschungen und war fast ein bisschen langweilig – bis am Ende die Filmlegenden Warren Beatty (79) und Faye Dunaway (76) den falschen Gewinner in der Kategorie "Bester Film" verkündeten. Als Dunaway "La La Land" in den Saal rief, brach Jubel aus, das Team des Films betrat die Bühne, fing an sich zu bedanken – bis sich im allgemeinen Trubel herausschälte, dass nicht das Hollywoodmusical, sondern das kleine Indie-Drama "Moonlight" zum besten Film gekürt werden sollte. Beatty war peinlich berührt. Auf der Karte habe "Emma Stone, 'La La Land'" gestanden, beteuerte er.
"Ich freue mich so für 'Moonlight'", zeigte sich Emma Stone gegenüber der Presse im Anschluss euphorisch hinter der Bühne. "Es ist einer der besten Filme aller Zeiten. Aber ich hielt meine Karte die ganze Zeit über in der Hand. Also ich weiß nicht, was da passiert ist."
Jedes Kuvert gibt es doppelt
Nach jetzigem Stand wurden offensichtlich die Umschläge vertauscht. Jedes Kuvert gibt es in zweifacher Ausfertigung. "Es gab keine Erklärung", betonte Regisseur Jenkins in Bezug auf die Verwechslung. "Es ist einfach passiert. Aber ich habe zwei Karten gesehen", sagte er. "Warren weigerte sich, die Karte jemandem zu zeigen, bevor er sie mir gezeigt hatte. Er kam zu mir hoch und zeigte mir die Karte. Ich will aber eines sagen. Die Leute von 'La La Land' waren so anmutig. Ich kann mir nicht vorstellen, was sie gerade durchmachen."
Der 37-jährige Filmemacher selbst war jedenfalls augenscheinlich überwältigt. "Alle Filme, die nominiert wurden, haben es verdient", betonte er. "Ich war sprachlos. Ich habe die Oscars schon oft angeschaut, aber so etwas wie heute habe ich noch nie gesehen. Es macht das Ganze zu etwas Besonderem, aber nicht auf die Art, wie ich es erwartet hatte."
Auch Mahershala Ali (43), der den Oscar als bester Nebendarsteller für seine Rolle in "Moonlight" erhielt, zeigte sich glücklich, aber irritiert. "Ich war zunächst nicht überrascht, weil 'La La Land' den Menschen ein Gefühl der Hoffnung gegeben hat, das sie gerade jetzt brauchen", sagte er über den Irrtum. "Ich war wirklich sehr glücklich für das Team. Aber als ich die Sicherheitsleute sah und wie der Moment unterbrochen wurde, habe ich mir wirklich Sorgen gemacht. Es warf mich mehr als nur ein bisschen um. Ich will nicht auf die Bühne gehen und jemand anderem etwas wegnehmen. Es ist schwer, in diesem Moment Freude zu fühlen. Aber ich bin sehr glücklich, dass wir als bester Film gewonnen haben."
Bis zum großen Malheur blieben die 89. Oscars jedenfalls weitgehend reibungslos, fast zu perfekt, und auch unpolitisch. Der Auslandsoscar ging an Asghar Farhadi (44) und sein Drama "The Salesman", aber der iranische Filmemacher war nicht erschienen aus Protest gegen Donald Trumps Einwanderungspolitik. So mancher Star trug am Kleid oder Anzug eine blaue Masche, ein Zeichen für die Amerikanische Bürgerrechtsunion, darunter Schauspielerin Ruth Negga und Regisseur Barry Jenkins, aber die erwartete Flut an politischen Botschaften blieb aus.
Davon zeigten sich nicht zuletzt viele Pressevertreter hinter den Kulissen enttäuscht. "Ich denke, es gab ein paar Leute, die einige Dinge über die aktuelle politische Situation gesagt haben. Sie sprachen über die Bedeutung der Künste", verteidigte Casey Affleck (41), der die Auszeichnung für die beste männliche Hauptrolle für "Manchester by the Sea" gewann, die Kollegen. "Ich persönlich habe nichts gesagt, weil mein Kopf völlig leer war." Unterdessen scherzte Kenneth Lonergan (54), der Regisseur des Dramas: "Eigentlich haben wir gewonnen!"
Rekordtief bei Einschaltquoten
So wenige Menschen wie seit fast zehn Jahren nicht mehr haben die diesjährige Oscar-Gala in den USA live im Fernsehen verfolgt. Rund 32,9 Millionen Menschen sahen sich die vom TV-Sender ABC übertragene Veranstaltung an, berichteten US-Medien am Montag (Ortszeit) unter Berufung auf die Datenerhebungsfirma Nielsen.
Weniger Zuschauer habe es zuletzt 2008 gegeben, als 32 Millionen die Gala verfolgten - die niedrigste Zuschauerzahl seit Beginn der Erhebungen 1974. 2016 hatten 34,2 Millionen Menschen zugeschaut.