Wird es ein Triumph oder eine neue Enttäuschung? Schon beim Filmfestival von Cannes galt Maren Ade mit "Toni Erdmann" als Favoritin, am Ende ging sie aber leer aus. Vor der Oscar-Verleihung am Sonntag ist die 40-Jährige Anwärterin für den besten fremdsprachigen Film, gewonnen ist aber noch nichts. Doch ob Erfolg oder Enttäuschung in Hollywood - einen Coup landete Ade mit ihrem Film in jedem Fall.
Seit dem Oscar von "Das Leben der Anderen" vor zehn Jahren wurde von einem deutschen Film international nicht mehr so viel gesprochen wie von "Toni Erdmann". Die "Variety" schwärmte von einem "menschlichen, heiteren Triumph". Die französische Zeitung "Le Figaro" schrieb, der Vater-Tochter-Film über die schwierige Beziehung zwischen einer ehrgeizigen Unternehmensberaterin (Sandra Hüller) zu ihrem sozialromantischen Vater (Peter Simonischek), einem Alt-68er, erreiche "die Sterne".
Die am 12. Dezember 1976 in Karlsruhe geborene Regisseurin, Drehbuchautorin und Filmproduzentin lieferte mit "Toni Erdmann" ein klassisches filmisches Handwerksprodukt ab. Sechs Jahre arbeitete sie an dem Film, recherchierte etwa in der ihr zuvor unbekannten Welt der Unternehmensberatungen. Obwohl reine Fiktion, brachte sie in die Figuren auch Biografisches ein: Der Vater ist von seiner Frau getrennt, auch Ade ist Scheidungskind. Den Humor ihres Vaters schrieb sie ihrer Hauptfigur auf den Leib - und bei der Figur der Tochter Ines sieht Ade Überschneidungen zu ihren Führungsaufgaben beim Filmemachen.
Hundert Stunden Filmmaterial
Wie bei ihren vorangegangen Spielfilmen führte Ade nicht nur Regie, sondern schrieb auch das Drehbuch. Ihrem Ruf als anstrengende Filmemacherin widerspricht sie erst gar nicht - Ade hat den Ruf eines Kontrollfreaks. "Das kann schon Nerven kosten, wenn eine bestimmte Einstellung wieder und wieder gedreht werden muss", sagte sie dem Berliner "Tagesspiegel". Für "Toni Erdmann" produzierte sie hundert Stunden Filmmaterial - die sie dann zu zwei Stunden und 42 Minuten Film zusammenschnitt.
Das Handwerk dafür erlernte Ade an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München, wo sie ab 1998 zunächst Produktion und dann Spielfilmregie studierte. Zusammen mit ihrer Kommilitonin Janine Jackowski gründete sie 2001 die heute in Berlin sitzende Produktionsfirma Komplizen, mit der sie auch Filme anderer Regisseure produziert.
Selbst veröffentlichte die Oscar-Kandidatin drei Spielfilme. Bereits ihr 2003 erschienener HFF-Abschlussfilm "Der Wald vor lauter Bäumen" erhielt einen Preis beim Sundance Film Festival 2005 und wurde für den Deutschen Filmpreis nominiert.
Berliner Schule
Ade zählt sich zu der Mitte der 90er-Jahre in Deutschland aufgekommenen Stilrichtung der Berliner Schule. Auch ihr Mann, der Regisseur Ulrich Köhler, zählt zu dieser Stilrichtung, das Paar hat zwei Kinder. Der Berliner Schule entsprang auch Ades zweiter Film "Alle anderen", der 2009 auf der Berlinale den Silbernen Bären als bester Film erhielt. Ihre Projekte zählen zum anspruchsvollen Arthousekino, das oft wenig Geld zur Verfügung hat.
Trotz der fast schon überschwänglich positiven Kritiken und dem Triumph beim Europäischen Filmpreis mit fünf Auszeichnungen - darunter für den österreichischen Hauptdarsteller Peter Simonischek - schaffte auch "Toni Erdmann" keinen Massenerfolg. Im Arthousebereich war der Film zwar der größte Renner, mit rund 836.000 Zuschauern in Deutschland bedeutete dies aber auf der Zuschauerliste aller Kinofilme im vergangenen Jahr nur Rang 38. In Österreich sahen knapp 56.000 den Film, der von der in Wien ansässigen Produktionsfirma Coop99 kofinanziert wurde.
Dennoch kann sich Ade auch über einen kommerziellen Erfolg freuen. Seit der Oscar-Nominierung verkaufte sich der Film in mehr als hundert Länder. Und inzwischen kaufte das Hollywood-Studio Paramount Pictures die Rechte für ein Remake. Angeblich soll Superstar Jack Nicholson dann die Hauptrolle übernehmen. Ade wird bei der Umsetzung aber keine Aufgabe übernehmen.