Sie gehören zu den unwahrscheinlichsten Popstars, die man sich vorstellen kann: Romy Madley Croft, Oliver Sim und Jamie Smith, gemeinsam als die The xx bekannt, spielen atmosphärischen Indie-Pop, mal nahe dem Stillstand, dann elektronisch unterfüttert als Dancefloor-Vehikel. Am Donnerstagabend gab das Trio eine Kostprobe seiner Kunst in der Wiener Marx Halle - entrückt, grandios und auf den Punkt.
Rund 7.000 Fans waren gekommen, um in der ausverkauften Location nicht nur für beengte Verhältnisse zu sorgen, sondern den Musikern auf der Bühne auch ein herzliches Willkommen zu servieren. Die nahmen es dankend an: Inmitten von acht riesigen, drehbaren Quadern mit spiegelnder Oberfläche präsentierten sie in knapp eineinhalb Stunden ihr Können. Und da auch einiges vom jüngsten Output "I See You" dabei war, wurde es ein ziemlich abwechslungsreiche Geschichte.
Wobei die ausgestrahlte Sicherheit für Sim und Co offenbar keine Selbstverständlichkeit ist, wie der Sänger und Bassist vor dem Auftritt der Austria Presse Agentur verriet. "Am Anfang unserer Karriere waren die Konzerte für uns beinahe physisch schmerzhaft. Wir waren wohl ambitionierter als ich dachte, sonst kann ich mir nicht erklären, warum wir weiter machten", schmunzelte er. "Mit der Zeit konnten wir uns aber immer besser entspannen. Es ist immer noch eine Herausforderung, aber ich liebe es. Nur normal wird es wohl nie für uns sein."
Kurze Impression vom Konzert in Mailand:
Zu bemerken war davon nichts: Tasten- und Knöpfchenmann Smith thronte, an einer Armada von Gerätschaften agierend, auf einem transparenten Podest über den Dingen, während das Gesangs- und Saitendoppel Sim und Madley Croft die von ihm ausgebreiteten Klangflächen mit wunderbaren Harmonien füllten, etwa beim mitreißenden Opener "Say Something Loving". Alte, melancholische Hits wie "Crystalised" oder "Islands" brachen dann endgültig das Eis und sorgten für Gänsehautstimmung.
Wo diese frühen Stücke vor allem vom Gegensatz aus Zerbrechlichkeit und elektronischer Härte leben, ist das aktuelle Material offener gestaltet, lassen die drei Musiker ihre Songs neue Wege gehen und immer wieder etwas Licht hinein. Die Arbeit an der Platte habe zwar lange gedauert, so Sim. "Aber wir vertrauten wirklich auf unsere Fähigkeiten. Du kannst experimentieren und trotzdem nach dir selbst klingen. Zuvor waren wir immer wie eine Insel, haben uns nie jemandem geöffnet. Das war diesmal anders und hat uns den Druck genommen."
In gewisser Weise war es auch eine neue Annäherung der drei Freunde, die sich seit Kindesbeinen kennen. "Es gab zwar nie wirkliche Auseinandersetzungen, aber am Ende der Tour zu 'Coexist' fehlte offenbar die Zeit. Wir nahmen an, dass wir wüssten, wie es dem anderen geht", resümierte Sim. "Jetzt haben wir gelernt, wieder besser miteinander zu kommunizieren. Und das haben wir auch in diese Platte gepackt." Nicht nur hinein, sogar darauf: Das Cover von "I See You", das seine Fortführung im Bühnendesign fand, ist eine schimmernde Oberfläche, die den Betrachter spiegelt. Ganz gemäß dem Motto: Ich sehe dich.
Impression vom Konzert in Amsterdam vor einer Woche:
Diese "Spieglein, Spieglein"-Situation schien in mehrfacher Hinsicht passend an diesem Abend: Die gerne als introvertiert und schüchtern wahrgenommenen Künstler, als Trio mittlerweile die größten Bühnen bespielend, verdoppelten und verdreifachten sich durch die Visuals, nahmen den Raum in ziemlich selbstbewusster Manier ein und rückten gleichzeitig die Fanschar in den Fokus. Das hier funktioniert nur gemeinsam, so die unmissverständliche Botschaft.
Und mehr brauchte es eigentlich nicht: So wie sich die musikalische Intensität stetig wandelte, mit "Basic Space" oder "Performance" zurückgenommene Nummern zum Träumen luden oder bei "Dangerous" die Beatkeule ausgepackt wurde, so wusste das vielfältige Licht- und Farbspiel diese Emotionalität bestens zu unterstreichen. Eine Nummer von Smiths Soloalbum "In Colour", das epische "Loud Places", führte schließlich in den Zugabenteil, bei dem der Jubel keine Grenzen mehr kannte. Dass ein zweiminütiges Instrumentalstück wie "Intro" solche Reaktionen erzeugt, ist jedes Mal wieder erstaunlich.
Aber gut: Popstars sind schließlich Popstars, oder? "Im Herbst waren wir bei 'Saturday Night Live', das war einfach lustig", plauderte Sim aus dem Nähkästchen. "Du schaust dir diese Wand an mit all den Fotos der Leute, die schon dort waren. Große Popacts wie Miley Cyrus. Und dann denkst du, auf eine gute Art und Weise: Wir passen hier nicht her", lachte der quirlige Musiker. Nun, ins ganz große Musikgeschäft passen The xx mittlerweile schon. Und ausgestattet mit einer leicht ironischen Distanz scheint der Platz dort auch ganz angenehm zu sein.
Christoph Griessner/APA