"Maschin", "Plansch", "Om" und so weiter: An Hits mangelt es Bilderbuch nicht. Wie nur wenige andere Bands hat das Quartett um Sänger Maurice Ernst in den vergangenen Jahren den Popsound aus Österreich geprägt. Nach dem Erfolg von "Schick Schock" erscheint nun am 17. Februar der Nachfolger "Magic Life". Darauf macht es sich die Band weder selbst noch den Fans leicht, wie schnell deutlich wird.
Tracks wie "Sweetlove" oder "Investment 7" kommen mit gedrosseltem Tempo daher, andererseits gehen Synths und E-Gitarren höchst eigenwillige Kombinationen ein. Und obwohl mit "Bungalow" wieder ein waschechter Ohrwurm mit von der Partie ist, kann keineswegs die Rede von einem simplen Aufguss alter Rezepte sein. Vielmehr wird hier der Versuch einer Neudefinition vorgenommen. "Es ging uns darum, uns nicht zu wiederholen", meinte Ernst dementsprechend im Interview mit der Austria Presse Agentur (APA).
Austria Presse Agentur: Der Sound des Albums dürfte einige doch überraschen. Wie sah die Herangehensweise aus?
Maurice Ernst: Der erste Schritt war, zurück zur Musik zu finden. Es gab keine direkte Idee, wo das hinführen kann. Und auch kein Ideal oder Idol, von dem man sich inspiriert gefühlt hat. Herausgekommen sind dann Sachen wie "Baba", die eben genau nicht nach "Schick Schock" klingen. Wir haben viel mit Gitarren gearbeitet. Heute macht jeder Musik mit Beat, Synth und Gesang. Wichtig war uns aber, dass der Soul durch die Gitarre kommt, dass du das Gefühl hast: Da bröselt was daher, das ist Emotion, das ist Mensch. Die Gitarre gibt die Stimmung vor. Und dann kam "Magic Life" als Vision. Die Songs hatten eine leichte Melancholie, ein introvertiertes Selbstbewusstsein. "Magic Life" schlüpft nicht raus, sondern schaut tief in dich rein und schafft dann einen Ausdruck.
APA: War es damit auch ein anderes Arbeiten als zuletzt?
Ernst: Unbedingt! Der Unterschied ist: Du setzt dich hin und hast das Gefühl, dass du bei Null anfängst. Tabula rasa! Deswegen war die Visionsfindung in den ersten eineinhalb Monaten, dieses Freischießen extrem wichtig. Wir spürten eine Verantwortung, mehr als früher. Also schaut man, was 2016 mit uns auch politisch passiert ist. Es ist nicht mehr um Statussymbole gegangen, sondern um etwas ganz Soziales. Das war neu in dieser Generation. Etwas hat die Leute, in welcher Form auch immer, zusammenzucken lassen. Wie gehen wir damit um? Wie können wir Musik machen, die dem entspricht? Deswegen haben sich die Motive umgekehrt, die Gefühle wurden verletzlicher und fragmentarischer. Man lässt die Schattenmomente auch noch existieren. Der "Magic Life"-Begriff leitet sich ja vom Magic Life Club ab, was super in diese Zeit passt.
APA: Werden diese Gefühle, die in den Texten transportiert werden, direkt von der Musik gespeist?
Ernst: Ja. Wir sind eher Musiker, und dann erst schreibe ich Texte. Beziehungsweise mache ich mit den Texten auch Musik. Wir sind geboren in diesem Magic Life Club, wir sind "All Inclusive". Das hat mich sehr fasziniert, was unsere Generation definiert: Sie hat alles und kennt es nicht anders. Wir glauben also, das ist unser Recht. Aber wir wissen nicht wie damit umgehen, wenn wir unser Grundrecht teilen soll. Egal wie offen, sozial, reich oder arm Menschen sind - das verunsichert, wenn man gefühlt in die 90er reingeboren wurde. Unsere Eltern haben uns in diesen Club geschleift und niemand hat uns gesagt, dass irgendwann vielleicht doch Abreise ist und was hinter diesen Mauern steht.
APA: Da geht es also auch um die Verbindung von persönlichem Befinden mit einer politischen Realität?
Ernst: Es ist das Zucken zur Häuslichkeit, egal wie weltoffen man ist. Junge Leute reden nicht mehr so viel über das, was draußen ist. Sondern der "Bungalow" ist jetzt viel wichtiger, Family und so weiter. Auch wenn man sich das gar nicht eingestehen will. Auch in "I Love Stress" geht es darum: Einerseits Selbstbefreiung, andererseits Analyse, was die Leute antreibt.
APA: Wie finden Sie die Themen und Texte Ihrer Songs?
Ernst: Oft aus dem Bauch heraus. Das kommt nicht nur vom Blatt Papier, obwohl ich natürlich mein Buch mit Notizen habe. Meistens ist es ein Sound, der ein Gefühl vorgibt, aus dem wiederum ein Bild kommt, für das ich dann ein Wort habe. Das geht im besten Fall innerhalb von drei Sekunden. Man muss nicht alles mit dem Kopf zerdenken. Wir sind sicher nicht die ersten, die diese Themen angreifen, aber wir machen es auf unsere Art und Weise. Das Direkte ist uns ganz wichtig. Natürlich ziehen sich einige Sachen extrem lang, weil sie aufwendig sind. Aber das Gegenteil ist dafür ganz nahe am Musiker. Und das vermisse ich heutzutage oft. Das Meiste im Radio ist unglaublich gefiltert. Natürlich wird dir ein Gefühl vorgegeben, aber es wird so oft kontrolliert durch verschiedene Instanzen, dass du einen charakterlosen Wahnsinn bekommst. Wir wollten diesen Punk und das Sessionmäßige wieder reinbringen. Das ist das Schöne, wenn du dich traust, wieder Dreck reinzulassen.
APA: Im Interview zu "Schick Schock" vor zwei Jahren meinten Sie: "Veränderung war immer unsere Triebfeder." Besteht die Gefahr, dass die Lust am Experiment zum Konzept erstarrt?
Ernst: Ein Bilderbuch-Fan, der schon länger dabei ist, will natürlich überrascht werden. Uns macht die Unberechenbarkeit gewissermaßen aus. Dadurch ist es automatisch ein bisschen ein Konzept. Aber so lange wir uns verändern können, muss das auch der Anspruch sein. Wir haben schon Demos für neue Sachen, die nicht wie "Magic Life" sind. Es ist immer ein schönes Konzept, kein Konzept zu haben. Momentan sehe ich es jedenfalls nicht als Gefahr, sondern als Chance. Der Punkt ist: Wie weit traust du dich, und wie weit geht es dir auf? Wir haben den Luxus, Musik zu machen. Und nicht, weil irgendwer etwas von uns erwartet.