37 Songs in 78 Tagen. "Just going and going and going", sagt Frontmann Billie Joe Armstrong. Dann der Absturz, Entzug, Stille. Jetzt ist Green Day zurück. In den vier Jahren seit ihrer Album-Trilogie "Uno" "Dos", "Tré", die Band und Fans an die Grenzen brachte, haben sich die Punkrocker zurückgenommen, entschleunigt, sich selbst wieder entdeckt. "Revolution Radio" ist ein Zeugnis davon.
Das zwölfte Green-Day-Album, das am Freitag erscheint, ist ein Schritt zurück - von der Megaproduktion ins kleine Studio, selbst gemacht, mit viel Kaffee statt Alkohol. Doch ihre Songs haben wieder eine Richtung. Mit der Trilogie haben Armstrong, Bassist Mike Dirnt und Schlagzeuger Tré Cool abgeschlossen. "Wir waren produktiv nur um produktiv zu sein", sagte Armstrong dem Magazin "Q". "Revolution Radio" hat wieder eine Botschaft. Es spielt in einer Welt, die ihren Zusammenhalt verloren hat, kritisiert Amerikas Waffenwahn, ist inspiriert von Amokläufen und Terror.
"'Revolution Radio' ist ein Aufruf für alle verlorenen Seelen zusammen zu kommen, zusammen zu tanzen, zu singen und vor allem sich zusammen zu finden", sagt Frontmann Armstrong. Die Musik ist rasend und doch melodisch, die Gitarren dröhnen, das Schlagzeug hetzt. Aus den Texten liest man Frustration mit Gesellschaft und Politik, wie schon 2004 bei der Rockoper "American Idiot". Doch dazu kommt die jugendliche Energie der "Dookie"-Zeit Mitte der 1990er.
"Ich lebe noch"
In "Still Breathing" verarbeitet Armstrong seine Zeit im Alkohol- und Medikamentenentzug. "Oh, ich lebe noch", wundert er sich fast. "Troubled Times", einen der besten, authentischsten Songs des Albums, schrieben sie nach den Attentaten von Paris, als der Terror ihnen plötzlich nah kam. Denn Green Day ist mit einem Gitarristen der Eagles of Death Metal befreundet, deren Konzert im Bataclan von schießenden Terroristen gestürmt wurde. "Was bringen Liebe und Frieden auf Erden, wenn sie nicht für alle sind?", fragen Green Day.
Trotz all dem hört man kein aggressives, wütendes Album. Eher beschreibt "Revolution Radio" die Verwirrung von Menschen, die herausfinden, wo sie stehen in einer chaotischen Welt. Green Day machten das für sich zuletzt ganz klar. Bei einem Konzert in New Jersey nannte Armstrong den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump sarkastisch "New Yorks finest" - New Yorks Besten - und änderte den "Holiday"-Liedtext von "Pulverize the Eiffel Tower" zu "Pulverize the Trump Towers".
Im Mainstream
Mehr als 75 Millionen Alben hat Green Day verkauft, seit der Hit "When I Come Around" sie vor 20 Jahren in den Musik-Mainstream beförderte. Jetzt schließen sie an an die tiefgründigen Konzeptalben "American Idiot" und "21st Century Breakdown". Und wissen trotzdem noch zu überraschen. Wie mit dem letzten Song des neuen Albums. "Ordinary World" kommt leicht daher, eine Akustik-Version, Armstrongs Stimme und eine leise gezupfte Gitarre. Doch eigentlich ist es ja auch kein Song für Green Day, sondern für den neuen Armstrong. Der Sänger hat die Hauptrolle in einem Film übernommen, dessen Titelsong man hier hört. Er spielt einen alternden Punk-Musiker, der sein langweiliges Familienvater-Leben für eine Nacht wieder gegen die Rockstar-Wurzeln tauscht.