Ein Dreivierteljahr nach seinem schockierenden Tod mit 69 Jahren kehrt David Bowie ins Pop-Business zurück. Als bleicher, bleistiftdünner Beau im Dandy-Look der mittleren 70er Jahre - und damit im krassen Kontrast zu seinen verstörend morbiden letzten Videos. Der Grund für den posthumen Auftritt trägt den Titel "Who Can I Be Now? (1974-1976)".

Eine üppige CD- und Vinyl-Box dokumentiert die "amerikanische Phase" des britischen Sängers, Sound-Tüftlers und Schauspielers. Akribisch wird eine wichtige Weichenstellung in Bowies Karriere dokumentiert: der Weg vom bizarren Brit-Glamrocker zu einem auch auf dem Mega-Popmarkt USA erfolgreichen Superstar.

Nicht viel Neues

Viel Neues erfahren Fans freilich nicht - obwohl mit "The Gouster" ein bisher unbekanntes Album in der Box liegt, über dessen Existenz zuvor nur geraunt wurde. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass diese sieben Lieder zwar nie als zusammenhängende Songsammlung erschienen, jedoch allesamt irgendwann noch zu Bowies Lebzeiten veröffentlicht wurden. Gerade die letzte Phase des am 10. Jänner gestorbenen Künstlers - die zwölf Jahre seit seinem fast völligen Verschwinden aus der Öffentlichkeit mit nur noch zwei letzten Platten ("The Next Day" von 2013 und "Blackstar" von 2016) - bleibt rätselhaft, wie so vieles bei diesem Exzentriker.

Trotz Gemäkels in einschlägigen Internet-Fanforen über den eher mäßigen Neuigkeitswert der Box jubelt das Musikmagazin "Uncut" auf seinem Oktober-Titel: "David Bowie - das Nachleben beginnt". Ausführlich lässt die britische Rockgazette den langjährigen Freund, legendären Produzenten und geübten Bowie-Erklärer Tony Visconti über "The Gouster" zu Wort kommen.

Der Amerikaner berichtet, dass die 1974 in den Sigma-Studios von Philadelphia aufgenommene Platte eigentlich das Bindeglied zwischen dem Übergangsalbum "Diamond Dogs" und dem meisterhaften "Young Americans" sei: ein an Rhythm 'n' Blues und Black Music jener Zeit orientiertes Werk, mit dem Bowie in den US-Soul-Shows auftreten wollte. "Er brauchte keine Ausrede, außer dass er einfach mal ein R&B-Album machen wollte. Das klang für mich nach einem großen Abenteuer", erzählt Visconti. Das von Jazz, Folk und britischem Rock kommende Pop-Chamäleon suchte eine neue Herausforderung, schwarze Virtuosen wie Sänger Luther Vandross und Gitarrist Carlos Alomar halfen ihm dabei.

"The Gouster" war bereits komplett im Kasten, Visconti hatte die Songs perfekt aufbereitet - da kam John Lennon dazwischen. Bowie nahm mit dem neuen Freund und Ex-Beatle in New York die Songs "Across The Universe" und vor allem "Fame" auf, seinen ersten Nummer-eins-Hit in den USA. Das daraufhin neu zusammengebastelte "Young Americans" wurde 1975 der erhoffte Crossover-Kracher. 1976 legte Bowie mit "Station To Station" eine der besten Rockplatten des Jahrzehnts nach - auch sie wird in der Box breit gewürdigt. Dann wandte er sich in Berlin der noch berühmteren, noch zukunftsweisenderen Trilogie aus "Low", "Heroes" und "Lodger" zu.

Weitere unbekannte Alben?

Am Ende der von enormem Kokain-Konsum geprägten "amerikanischen Phase" war "The Gouster" also verloren gegangen - bis jetzt. Bowie näherte sich auch später einer Veröffentlichung des (zweifellos hochwertigen) Soul-Pop-Materials nur zögerlich, wie Experten heute bestätigen. "Er blickte immer nur nach vorn", sagt Visconti. Man darf gespannt sein, welche mehr oder weniger unbekannten Alben demnächst zutage gefördert werden - und sich gelegentlich fragen, ob die Veröffentlichung im Sinne des Erfinders gewesen wäre.

Wer Bowies Musik nachspüren will, kann das im Herbst auch anders tun als mit der aufwendigen Rückblick-Box. Am 21. Oktober erscheint "Lazarus", das Album zu dem im Dezember 2015 in New York uraufgeführten David-Bowie-Musical. Es soll laut Plattenfirma Sony unter anderem die drei letzten Aufnahmen des 1947 geborenen Musikers enthalten ("No Plan", "Killing A Little Time" und "When I Met You").

Bereits eine Woche davor bringt der tolle New Yorker Saxofonist Donny McCaslin das von Bowie inspirierte Jazz-Album "Beyond Now" heraus. Zusammen mit seinen drei Bandkollegen Jason Lindner, Mark Guiliana und Tim Lefebvre hatte er den schwer krebskranken Sänger auf dessen erschütterndem Schlusspunkt-Album "Blackstar" begleitet. "Ein Visionär, dessen Großzügigkeit, kreativer Geist und Furchtlosigkeit mir für den Rest meines Lebens erhalten bleiben werden", sagt McCaslin über Bowie.