Wie wird sich Journalismus Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?
Nowak: Puh, große Frage zu Beginn. Journalismus muss digitaler werden. Er wird sicher nicht langsamer, sondern schneller. Es wird verschiedene Arten von Journalismus geben, vom Instagram-Journalisten zum Roboter-Journalisten, vom leitartikelschreibenden Kolumnisten zum altmodischen Außenpolitikredakteur. Es wird alles geben, vermutlich aber nicht mehr in den gleichen Organisationsformen wie heute.
Mindert es Ihrer Meinung nach die Qualität, wenn Journalismus schneller wird?
Geschwindigkeit ist immer ein Handicap, weil nicht mehr so viel Zeit für Check-Recheck-Doublecheck bleibt. Sonst wäre zum Beispiel der Guardian nicht einer Tagespresse Meldung aufgesessen. Das ist typisch: schnell und nicht mehr nachfragen. Andererseits ist der Vorteil der Geschwindigkeit, dass die Menschen schneller informiert werden. Als Kulturoptimist bin ich eher der Meinung, dass Journalismus nicht automatisch schlechter wird. Ich glaube, er wird für den, der ihn pflegt, angewandter und ambitionierter.
Warum sind Workshops, wie die Medienakademie hier, wichtig?
Journalismus ist ja ein Handwerk und keine theoretische Wissenschaft, die man lernen kann. Das handwerkliche Können lernt man am besten, indem man Geschichten schreibt. Die erste Übung als Journalist ist, eine Kurzmeldung zu schreiben - völlig egal, ob für Print oder digital. Ich bewundere die Krone-Redakteure, weil sie es schaffen, die Welt kurz und knackig abzubilden. Das ist schwieriger, als etwas in einem langen Text zu erzählen.
An diesem Wochenende dreht sich alles um das Thema Geld. Welches Auto fahren Sie? Einen Porsche?
Auf die Idee ist niemand gekommen: Ich fahre gar kein Auto. Meine Eltern sind nicht Auto gefahren und so bin ich erzogen worden. Meine Frau fährt Auto, und das meistens gerne, und zwar einen Volvo Kombi.
Würde ich Auto fahren, würde ich nie mit einem Porsche fahren. Das wäre mir zu auffällig. Ich habe ja auch keine roten Socken an. Als Chefredakteur einer Qualitätsmarke, vor allem als extrovertierter Mensch wie ich, muss man das nicht durch Autos oder Kleidung unterstreichen. Ich trage auch keine sehr teure Kleidung.
Tragen Sie lieber Hugo Boss als Prada?
Ich würde lieber Prada tragen, kann ich mir aber leider nicht leisten. Hugo Boss trage ich nicht, mag ich nämlich nicht. Ich trage italienische und dänische Designer, die in Wien keiner kennt. Und ja, ich kenne mich bei Mode aus. Ich habe auch den Herrn Bundeskanzler kennengelernt, indem wir uns über Krawatten unterhalten haben.
Sind Sie der Meinung, dass Kleidung eher ausdrückt, was man ist oder sein möchte?
Ich glaube, es gibt Menschen, die das tragen, was sie sein möchten, und viele tragen das, was sie sind. Ich bin immer wieder erstaunt, welche unfassbare Freizeitkleidung die Leute in Österreich tragen. Im Beruf habe ich fast immer einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd an. Ich werde öfters für einen Kellner gehalten, weil ich oft Turnschuhe trage. Ich gehe pro Tag meistens zwischen acht und zwölf Kilometer zu Fuß, da ich ja nicht Auto fahre.
Beleidigt es Sie, wenn Sie jemand für einen Kellner hält?
Nein. Ich sage dann: „Ich bin kein Kellner, aber ich nehme die Bestellung entgegen.“
Sehen Sie sich in zehn Jahren noch als Journalist bzw. Chefredakteur?
Wahrscheinlich schon, obwohl ich mir andere Berufe auch vorstellen kann. Ich kann mir zum Beispiel gut vorstellen, in Kulturinstitutionen wie einem Museum zu arbeiten, obwohl ich mein Geschichte-Studium nicht fertig gemacht habe. Politik wäre auch eine Option für mich. Was für mich nicht in Frage käme, wäre PR. Journalisten sanft zu manipulieren oder durch Argumente dazu zu bringen, etwas zu schreiben, hätte ich nicht drauf. Dazu war ich zu lange Journalist.
Ist für Sie die Verbindung zwischen Journalismus und PR mehr Ehe oder Prostitution?
Weder noch. Ich kenne einige Leute aus der PR, die gerne mit mir zusammenarbeiten, denn ich sage gleich, ob etwas funktioniert oder nicht - und wenn ich der Meinung bin, eine Geschichte ist möglich, ist es auch wirklich so. Oft haben PR-Leute gute Geschichten und wissen nicht, wem sie sie erzählen sollen. Gute PR-Leute wissen, wer in der Redaktion wofür zuständig ist. Manche haben davon keine Ahnung und schicken 20 Emails an alle Redakteure. Furchtbar!
Wenn Sie sich aussuchen könnten, mit wem Sie Abendessen gehen - egal, ob lebend oder verstorben - wen würden Sie einladen?
Von den Lebenden würde ich gerne mit Donald Trump essen gehen, um herauszufinden, wie er spricht und wirklich ist. Angela Merkel, Barack Obama oder Wladimir Putin wären auch interessante Gäste.
Von historischen Gestalten würde ich gerne die schlimmsten Menschen der Zeitgeschichte kennenlernen. Mit Hitler oder Stalin würde ich zwar nicht so gern Abendessen, aber ich hätte sehr gern ein Interview mit ihnen geführt.
Was würden Sie Donald Trump fragen, wenn Sie heute mit ihm essen gehen könnten?
Ich möchte wissen, ob er alles was er sagt, wirklich ernst meint und warum er so emotional ist und was sein eigentliches Ziel ist. Das weiß ich nämlich nicht. Journalismus ist für mich Menschen fressen, in die Leute hineinschauen und sie fixieren. In dem Beruf wird man furchtbar zynisch und ordnet Menschen wahrscheinlich viel zu schnell ein, wird zu oberflächlich und hört zu wenig zu, aber prinzipiell ist es ein Menschenberuf.
Angenommen, Sie werden 90 Jahre alt. Würden Sie in Ihrem restlichen Leben ab jetzt lieber Ihre geistigen Fähigkeiten oder Ihr Aussehen behalten?
Das kommt darauf an, ob das bedeutet, das jeweils andere zu verlieren. Wenn das so ist, dann entscheide ich mich natürlich für die geistigen Fähigkeiten. Wenn das der normale Verfall ist, muss man das theoretisch ausrechnen: Ich denke nicht, dass der geistige Verfall von jetzt bis 90 so rapide ist - vermutlich 5% Verfall, während das Aussehen 70% Verfall ist.
Wenn Sie morgen aufwachen und eine Superkraft hätten, welche hätten Sie am liebsten?
In die Zukunft zu schauen - und zwar in jede. Meine eigene Zukunft interessiert mich aber nicht so sehr. Klar interessiert sie mich, weil sie mich betreffen wird, aber wenn ich genau weiß, was in den nächsten fünf Jahren passiert, wird mir langweilig. Es könnte ja theoretisch passieren, dass du einen Moment hast und ein Buch schreibst und den Literaturnobelpreis bekommst. Das ist natürlich sehr unwahrscheinlich, aber es ist möglich - that’s what keeps us going!
Was ist für Sie zu ernst, um darüber zu scherzen?
Im ersten Moment würde ich sagen gar nichts, aber natürlich gibt es Tabus wie zum Beispiel Holocaust oder sexueller Missbrauch, insbesondere von Kindern. Ich finde es gut, dass es Tabus gibt. Prinzipiell gibt es Felder, wo ich denke: „Bis hierher und nicht weiter“.
Ist es Ihnen selbst schon passiert, dass Sie so eine Grenze übertreten haben?
In diesem Zusammenhang nicht, aber grundsätzlich passiert mir das oft. Ich gehöre zu der Fraktion, die leider Gottes oft dem Spruch „lieber einen guten Freund verlieren als eine Pointe auslassen“ folgt. Dadurch habe ich Menschen, die ich nicht verletzen wollte, leider oft mit Pointen oder Bemerkungen verletzt.
Ist das eine Berufskrankheit?
Das glaube ich nicht. Das bin einfach ich. Man kann das auch positiv sehen: Es ist eine Gabe. (lacht) Es ist für den Beruf vorteilhaft. Für mich ist aber sowieso das Allerallerallerwichtigste in jedem Bereich, sich einen gewissen Humor zu bewahren. Selbstironie unterscheidet interessante Menschen von langweiligen. Wer das nicht kann, interessiert mich nicht. Schmähbefreite Menschen sind das Anstrengendste, das es gibt.
Was war der peinlichste Moment in Ihrem privaten Leben?
Ich bin ein Meister der Peinlichkeit. Vor kurzem habe ich in einer Schublade eine alte Uhr gefunden, die dort seit fünf Jahren lag. Ich brachte sie zum Uhrmacher, weil sie nicht funktionierte. Er sagte: „Die Uhr hat nichts“, und ich: „Doch, die funktioniert nicht.“ Darauf hin meinte er: „Sie wissen aber schon, dass man die Uhr aufziehen muss?“ Ich liebe solche Sachen. Vor kurzem bin ich in einer Kinovorstellung eingeschlafen und habe laut geschnarcht. Da hat sich danach jemand beschwert. Das war schon peinlich.
Und was war Ihnen als Journalist peinlich?
Ich habe meine Journalismus Karriere in der Presse begonnen und der Kurier hat am nächsten Tag in einer Glosse geschrieben: „7 schwere Fehler“. Es waren glaub ich nur vier, aber das hat auch gereicht. Da hat sich der Kurier gleich nach dem ersten Tag über mich lustig gemacht. Arschknapp, dass ich nicht sofort wieder weg war.
Was ist Ihre größte Schwäche?
Die Eitelkeit.
Und die größte Stärke?
(überlegt) Ich glaube, die ungebremste Neugierde und die Energie.
Warum kennen Sie Ihre Schwäche auf Knopfdruck und müssen bei der Frage nach Ihrer Stärke überlegen?
Guter Punkt. Weil meine Eitelkeit zu offensichtlich ist, um sie zu verbergen. Wenn jemand als Stärke „meine Intelligenz“ aufzählt, kann man gleich die Kotztüten aus dem Flugzeug verteilen. Darum habe ich jetzt überlegt, was ich wirklich gut kann. Ich habe auch eine gute Dosis an Charme und Empathie. Ich kann mich gut in Menschen hineinversetzen, wodurch ich die Redaktion als Chef zu ihren Leistungen anspornen kann, und sie wissen auch, dass ich für sie da bin, wenn es ihnen schlecht geht.
Wie definieren Sie Ihre Eitelkeit?
Ich habe eine komische Form der Eitelkeit. Wenn jemand meinen Namen falsch schreibt, regt das manchmal mein Umfeld mehr auf als mich. Für mich ist die Hauptsache, dass der Name in der Zeitung steht. Ich merke gerade, dass ich meine Eitelkeit nicht wirklich gut beschreiben kann. Ich stehe jedenfalls gerne im Mittelpunkt und werde gerne für das, was ich mache, wertgeschätzt. Ich mag es nicht, wenn ich Leuten egal bin. Da ist es mir lieber, sie haben eine leichte Abneigung gegen mich.
Herzlichen Dank für das Interview!
Danke auch.
Christina Ozlberger