Sie waren jahrelang Strategin der ÖVP, eine Partei die durch Rücktritte viel Aufsehen erregt hat. In diese Reihen traten auch die SPÖ mit Werner Faymann und nun die Grünen mit Eva Glawischnig. Warum wollen Obmänner und –frauen nicht bleiben?

Heidi Glück: Ich glaube, bleiben würden sie schon ganz gerne, aber nur, wenn sie ihre Zielsetzungen erfolgreich erreichen können. Das wiederum ist eine Frage der Rahmenbedingungen und Parteistrukturen. Bei der ÖVP hat man gesehen, dass die Parteiobmänner an ihrer eigenen Partei gescheitert sind, denn sie fühlten sich nicht ausreichend unterstützt. Ohne Rückhalt der eigenen Partei können Parteiobleute, die im Falle der ÖVP eine schwache Position haben, nichts auf Papier bringen. Die Zustimmung der Partei hängt vom Erfolg des Parteiobmanns ab und erfolgreich ist ein ÖVP-Obmann dann, wenn er Wahlen gewinnt. Das hat sich bei den letzten Obmännern nicht abgezeichnet und dadurch sind die Strukturen gegen sie stärker geworden. Das hat viele zum Aufgeben gebracht: Für sie wurde es immer schwieriger und erfolgloser.

Können intern uneinige Parteien für die Wählerinnen und Wähler noch attraktiv sein?

Wenn interne Streitigkeiten öffentlich werden, ist es meistens schädigend für das Image der Partei. Oft aber zählt nicht die Streiterei für die Wähler, auch nicht die Strukturen einer Partei. Für sie ist entscheidend, ob ihre Interessen ausreichend umgesetzt werden.

Ist der Ton in der Politik rauer geworden?

Auf jeden Fall. Nicht nur der Ton, auch der Wettbewerb ist härter geworden. Wenn keine Mehrheiten erreicht werden, verengen sich Parteien. Sie wollen diejenigen, die sie noch wählen, halten und nicht durch neue Statements verschrecken. Das heißt, statt dass sich Parteien öffnen und erweitern, verengen sie sich. Ich halte das für einen Denkfehler. Vielleicht wird man mit Öffnungen manchmal verlieren, aber es gibt auch die Chance dazuzugewinnen. Die Welt dreht sich weiter und Positionen von vor 20 Jahren kommen heute nicht mehr gleich gut an.

Brauchen Politikerinnen und Politiker eine dickere Haut?

Eine dicke Haut hat man in der Politik immer schon gebraucht, denn es ist ein hartes Geschäft. Es gibt keine Tabuthemen mehr und jeder Politiker steht permanent in der Öffentlichkeit – was er tut, was er sagt, wohin er geht – es ist alles öffentlich. Das macht Politikern einen enormen Druck, denn sie sind auch nur Menschen mit Stärken und Schwächen, keine Maschinen. Gefühle und Verletzlichkeiten werden von Kritikern kaum berücksichtigt. Das permanente Erklären und die geringe Zeit nachzudenken, fällt vielen schwer. Everybody’s Darling gibt es sowieso nicht. In den neuen Medien werden schnell Meinungen gebildet – man kann sie anonym äußern und leicht einen Shitstorm heraufbeschwören. Dafür braucht es keine größeren Organisationen mehr.

Wenn wir schon bei „Everybody’s Darling“ sind, kommen wir zu Sebastian Kurz. Er gilt in der ÖVP und auch in der Innenpolitik als Lichtblick, doch er ist jetzt durch das Umkrempeln der Volkspartei auch stark kritisiert worden. Er wurde als Alleinherrscher bezeichnet und mit Erdogan verglichen. Hat das seinem Image geschadet?

Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Erstens sind diese Behauptungen faktisch falsch, mir würde es niemals einfallen einen österreichischen Politiker mit Erdogan zu vergleichen. Ich finde das eher absurd und unhaltbar. Macht muss nicht immer negativ sein, ich kann sie auch als Gestaltungselement positiv einsetzen. Kurz hat sich einfach Durchsetzungsmöglichkeiten geschaffen. Das heißt für ihn aber auch, dass er Verantwortung übernehmen muss, und zwar die Alleinverantwortung. Er muss sich hinstellen, er muss sich rechtfertigen und wenn etwas schief läuft, ist er Schuld, dann muss er gehen. Ich glaube trotzdem, ihm ist damit Großes gelungen. Die ÖVP war in einer Starre, aus der sie sich selbst nicht mehr hinauskatapultieren konnte. Eine Partei, die unter Wolfgang Schüssel über 40 Prozent erreichte, sollte sich nicht mit knapp 20 Prozent zufrieden geben. Und wenn sie das tut, ist sie nicht das richtige für Sebastian Kurz. Schließlich kann sich eine Partei, die sich deutlich als Volkspartei deklariert, nicht mit der Zustimmung von nur einem Fünftel des Volkes abfinden.

Die Partei ist jetzt stark personifiziert – würde Kurz auch Vizekanzler werden?

Wie ich ihn kenne, denkt er nicht einmal daran, Vizekanzler zu werden. Wenn, dann denkt er an die Kanzlerposition. Fragen Sie jeden Spitzensportler, wenn man Nummer Eins werden will, denkt man nicht an den zweiten Platz. Die Menschen spüren das nämlich – denkst du an die Nummer Zwei wirst du sie auch.

Beraten Sie Sebastian Kurz?

Wir tauschen uns hin und wieder aus, aber ich bin keine Beraterin im klassischen Sinn.

Werden Sie als Strategin für die Liste Kurz arbeiten?

Als interessierte Staatsbürgerin kann ich mir schon vorstellen, mich für ihn zu engagieren. Ich arbeite aber in meinem Büro, für meine Firma und meine Projekte. Ich denke, es würde Österreich gut tun, neue Initiativen in der Politik zu haben. Das würde ich mir von mehr Parteien wünschen. Insofern würde ich schon sagen, dass ich ihn unterstütze.