Wenn Sie die aktuelle politische Situation betrachten, würden Sie dann nicht lieber gleich hier, in Altaussee, bleiben?
Henrietta Egerth: (lacht) Gott sei Dank gibt es in Österreich genügend schöne Orte und wenn ein Platz so eindrucksvoll wie dieser hier ist, dann lohnt es sich doch fast hin und her zu pendeln. Arbeiten kann ich von überall aus. Die Digitalisierung macht‘s möglich.
Wäre das hier ein Ort, an dem sich Forschung wohlfühlen würde – oder braucht es die Stadt für Forschung?
Es braucht für Forschung nicht unbedingt eine Stadt, nur ist es so, dass die besten Köpfe die besten Köpfe anziehen, woraus dann ein fruchtbares Umfeld für Innovation entsteht, das wir kreieren wollen. Außerdem braucht Forschung immer die Nähe zu Unis, das ist unerlässlich und die Infrastruktur spielt natürlich eine Rolle.
Ist Österreich erfolgreich als Forschungsstandort?
Ja, das ist es auf jeden Fall. Es gibt Nischen, in denen wir uns zweifelsohne zu den Weltmarktführern zählen können. Zum Beispiel in der Weltraumtechnologie leisten wir hier in Österreich Großes. Die Quantenphysik und die Erfolge von Dr. Anton Zeilinger zeigen das.
Woran liegt das?
Das hat natürlich viele Gründe, Innovation braucht die richtige Atmosphäre und auch wenn man noch an vielen Rädchen drehen könnte, bieten wir diese in Österreich. Auch finanziell stehen wir gut da. Österreich rekrutiert überdurchschnittlich viel Geld aus dem ERC (european research council), ist also Nettoempfänger für EU Forschungsmittel.
Es gibt also genug Geld für Forschung in Österreich?
Ja und nein, es gibt immer Luft nach oben, aber wir sind gut aufgestellt. Unser Staat ist sehr investitionsfreudig, wenn es um das Thema Forschungsförderung geht, trotzdem fehlt es an einigen Orten. Die Hochschulen könnten sicherlich mehr Geld vertragen, vor allem die angewandten. Wir haben ebenso Verbesserungspotential, ein fruchtbares Klima für privates Kapital, das innovativ eingesetzt werden möchte, zu schaffen. Es braucht mehr Risikofreudigkeit – Stichwort Venture Capital – in Österreich.
Wie wichtig war für sie die Erhöhung der Forschungsprämie?
Sehr wichtig, hier schafft sich Österreich definitiv einen Standortvorteil. Es bräuchte aber neben steuerlichen Anreizen auch mehr direkte Förderungen. Spannend sind auch Förderungen die wettbewerbsorientiert vergeben werden, auch so kann ich den passenden Nährboden für Innovation schaffen.
Das ist eigentlich nur in bestimmten Zirkeln ein Thema – hat Forschung zu wenig Öffentlichkeit?
Absolut, Forschung bräuchte mehr Öffentlichkeit! Und auch eine andere Kultur im öffentlichen Umgang mit Innovation. Unternehmen prahlen verständlicherweise ungern mit den Erfolgen ihrer Entwicklungsabteilungen. Hier spielen Patente, Marktpositionen und Zukunftsstrategien eine Rolle. In den Medien ist Forschung aber eine Querschnittmaterie, die zu wenig negative Nachrichten für die Tagespolitik abwirft. Für österreichische Medien sind Erfolgsmeldungen in der Forschung meistens Orchideennachrichten.
Wie politisch ist Forschung? Wird Forschungsförderung nach politischen Prämissen vergeben?
Nicht nach tagespolitischen, aber nach gesellschaftlichen und zukunftstechnischen Prämissen sehr wohl. Gott sei Dank hat die Forschungsförderung über die österreichischen Parteigrenzen hinweg einen hohen Stellenwert. Die Politik kann Akzente setzen und das sollte sie auch, wenn es darum geht, die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Gerade wenn es darum geht mehr Venture Capital anzuziehen. Hier müsste der Staat mehr Sicherheiten und damit Anreize schaffen für privates Kapital. Gerade in der Weltraumtechnologie, die sehr oft auch Anwendungen hier unten bei uns auf der Erde findet, dauert es oft lange bis die Investitionen eine Rendite abwerfen. Hier könnte der Staat den Investoren unter die Arme greifen. Mittelfristig lukrieren sich in einem innovativen Klima Gelder von selbst.
Gibt es in Österreich einen Brain Drain an Forschern?
Ja, den gibt es, aber nicht über das gesunde Maß hinaus, wir ziehen schließlich auch Forscher an. Gerade Youngsters zieht es meist an Standorte, die renommierte Unis zu bieten haben. Die USA sind ein starker Magnet für junge Forscher und früher auch Großbritannien. Aber auch Deutschland spielt eine Rolle.
Was bräuchte es um sie wieder anzuziehen?
Hier müssen natürlich die Rahmenbedingungen passen. Wien ist eine begehrte Stadt, aufgrund seiner hohen Lebensqualität und den sozialen Rahmenbedingungen. Aber wenn es um Entfaltungsmöglichkeit für junge Unternehmen geht, haben wir noch einiges zu leisten.
Wie steht es um die Frauenquote in der österreichischen Forscherbubble? Hat sich da in den letzten Jahren was getan?
Forschung wird nur langsam weiblich, aber wir sehen es tut sich was. Quotenregelungen sind für uns kein Thema, denn in der Forschung setzt sich heute schon die Besten durch. Im technischen Bereich gib es allerdings definitiv zu wenig Frauen, hier muss Österreich in den MINT-Studien mehr machen.
Könnten Sie sich vorstellen ihre Förderungen danach zu strukturieren?
Nicht direkt aber wir fördern Frauen in Vorständen mit zusätzlichen Geldern.
Wo werden denn die Grundsteine für eine Forschungskarriere gelegt und warum fallen Frauen da raus?
Das ist ein sehr kompliziertes Thema, denn hier spielt bereits die frühe Entwicklung von Kindern eine Rolle. Wie wird das Kind gefordert? Ist es in der Lage seine Interessen zu entfalten und wird es in diesen gefördert? Es muss sich auch in den kulturellen Strukturen etwas tun, denn oft werden Mädchen bereits in geschlechterspezifische Strukturen hineingepresst. Es ist eine Generationenfrage und bis wir die Früchte unserer Maßnahmen in dem Bereich ernten, wird es dauern.
Wie sind Sie zu ihrer Arbeit im forschungsnahen Bereich gekommen?
Ich bin eigentlich Managerin und hatte die Möglichkeit die FGG von Anfang an mit aufzubauen und zu gestalten.
Was wartet denn nach ihrer Kariere bei der FFG auf Sie?
Ich bin in meinem jetzigen Job sehr glücklich und habe noch viel vor, aber wir werden sehen, was die Zukunft so bringt. Ich bin für alles offen.
Können Sie sich vorstellen, in die Politik zu wechseln?
Ich habe derzeit eine sehr herausfordernde Arbeit. So gesehen nein, die Politik schließe ich aus.
Dann müssten sie ja doch nicht wieder zurück nach Wien?
(lacht) Wie schon gesagt, pendeln macht mir nicht viel aus.
Danke für das Gespräch!
Jakob Kramar-Schmid