Korrespondenten sind immer auf dem Sprung, aber mit dieser übereilten Rückreise hat Tim Cupal, ORF-Korrespondent in Israel, wohl nicht gerechnet. Gerade noch war er für die Tagung der ORF-Korrespondentinnen und -Korrespondenten in Wien, musste er am Samstag zurück nach Israel, das in kürzester Zeit zum Krisengebiet wurde. Nur wenige Stunden nach der Terrorattacke der Hamas stand Cupal im umkämpften Grenzgebiet. Die erste Einschätzung in der Liveschaltung war dramatisch: "Die Lage ist so ernst wie seit Jahrzehnten nicht mehr."
Wie weit man sich in ein Krisengebiet vorwagt, obliege den Korrespondenten selbst, die die Gefahrenlage vor Ort gut einschätzen können, so der ORF auf Anfrage. Eine enge Abstimmung sei aber unerlässlich: "Sofern möglich und notwendig, werden gefährliche Einsätze mit dem Newsroom abgestimmt, auch mit der ORF-Konzernsicherheit." Cupals Vorgänger in Israel, Roland Adrowitzer, weiß um die Gefahrenherde, wie er im Interview mit der Kleinen Zeitung erzählt: "Ich zittere mit Tim mit. Wir waren ständig im Kontakt, als er versucht hat, von der Korrespondententagung zurück nach Israel zu kommen. Er ist dann über Dubai eingereist und sofort ins Krisengebiet gefahren. Er macht das großartig, er muss selbst einschätzen, wie weit er geht."
Adrowitzer, der von 2010 bis zu seiner heurigen Pensionierung auch für die Koordination der ORF-Korrespondentenbüros zuständig war, berichtete im ersten Halbjahr 2019 aus Israel – wo er das Büro nach Ben Segenreich und für Tim Cupal neu strukturierte. "Ich war an der Grenze nach Gaza, als es die wöchentlichen Unruhen gab. Die israelische Armee hat uns in Schützenpanzern mit Helm und schusssicherer Weste zu Beobachtungsposten gebracht, aber das ist mit der heutigen Situation nicht vergleichbar. Über meine Wohnung in Jaffa, in der Tim jetzt wohnt, ist einmal eine Rakete aus Gaza drüber geflogen. Meine Frau und ich haben sie von der Terrasse aus gesehen", erinnert er sich.
Wie wird man als Auslandskorrespondent auf Ausnahmesituationen vorbereitet? Gibt es eigene Kriseneinschulungen? "Ja, die gibt es. Das österreichische Bundesheer macht spezielle Kurse für uns", erklärt Adrowitzer, der seine insgesamt 13 Jahre im Ausland als ORF-Korrespondent (darunter Brüssel und Bonn) als "die schönste und spannendste Zeit meines Lebens" bezeichnet. Eigene Sicherheitskurse (Hostile Environment Safety Training) für zukünftige Korrespondentinnen und Korrespondenten bietet auch die Europäische Rundfunkunion an.
Ein anderer ORF-Korrespondent wartet derzeit noch auf grünes Licht für seine Rückkehr in die Ukraine: Christian Wehrschütz. Noch ist die Verlängerung seiner Akkreditierung im Laufen, aber beim ORF zeigt man sich optimistisch. Ebenso noch nicht durch sind die Akkreditierungen für zwei weitere ORF-Journalisten, die, wie im September angekündigt, in die Ukraine entsendet werden sollen. Wann es so weit sein wird? "Wenn es redaktionell geboten ist", so der ORF.
"Mein Gaza" von Tim Cupal wird heute um 22.30 Uhr in ORF 2 als "Weltjournal+" wiederholt, das er im Vorjahr drehte.