Ab dem Zeitpunkt, als auf seinem Smartphone-Display eine unbekannte Nummer auftauchte, war es für den Physiker Ferenc Krausz ein anstrengender Dienstag. Nach Zögern hob er ab, am anderen Ende erwartete ihn vom Nobelkomitee eine Frohbotschaft. Im ZiB-2-Interview mit Marie-Claire Zimmermann erzählte er am Dienstagabend von diesem Moment: "Mit einem Anruf aus Stockholm habe ich auf gar keinen Fall gerechnet, insofern war das fast ein Zufallsprodukt, dass ich tatsächlich abgehoben habe."

An diesem Jubeltag ist der Grundlagenforscher ein außergewöhnlich gefragter Mann. Unzählige Interviewanfragen wären es für ihn auch dann gewesen, würden nicht gleich in mehreren Ländern der Nobelpreis als nationale Errungenschaft verbucht: Der 1962 in Mór geborene Ungar, der auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, studierte und forschte in Wien, mit seiner Familie lebte er in Vösendorf. Seit fast 20 Jahren ist er Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik, unterrichtet an der Maximilians-Universität München und forscht in Ungarn.

Was ihm das Land gab

Von Zimmermann darauf angesprochen, dass alle drei Länder den Nobelpreis nun auch für sich verbuchen würden, antwortete dieser mit einem Schmunzeln: "Das ist wunderbar. Wir sollten hier in Europa alle Europäer sein." Alle drei Länder hätten ihm sehr viel gegeben: Von Ungarn die Ausbildung, in Österreich, in Wien, haben die Experimente stattgefunden, die zu diesem Preis geführt haben. "Und in Deutschland konnte dieses Arbeitsgebiet zur vollen Blüte gebracht werden." Er sei sehr dankbar und freue sich sehr, "dass er diesen Ländern mit diesem Preis etwas zurückgeben kann".

Krausz spricht über "die schönsten und produktivsten Jahre" seiner wissenschaftlichen Karriere, wenn er an seine Zeit in Wien denkt. Er habe in Österreich alles vorgefunden, was er sich gewünscht habe. Als dann der Ruf der renommierten Institutionen aus Deutschland kam, habe er trotzdem nicht gezögert: Die dortigen Bedingungen seien einzigartig in Europa, vielleicht sogar weltweit.

Er sah, was noch niemand sehen konnte

Habe er bei der Forschung einmal daran gedacht, dass ihm diese Ergebnisse zu den Attosekundenimpulsen einmal einen Nobelpreis einbringen könnten? "Ich glaube, in dem Moment, als wir in der Nacht vom 8. auf den 9. September [2001] im Kellerlabor der TU Wien das erste Mal die Existenz der Attosekundenimpulse erlebt haben, da war auf keinen Fall der Gedanke, das könnte eines Tages einmal zu einem Nobelpreis führen." Es sei einfach eine Freude gewesen, dass man etwas sehen konnte, was kein anderer Mensch zuvor gesehen hat. Da gebe es im Kopf keinen Platz für künftige Preise.

Welchen praktischen Nutzen wird diese Forschung haben, fragte Zimmermann den Forscher: "Auf diesen praktischen Nutzen muss man noch ein bisschen warten, aber wir sehen jedenfalls Möglichkeiten." Künftig könnte diese Forschungsergebnisse auch im Alltag Niederschlag finden, etwa in der Halbleitertechnologie. Krausz spricht von der Möglichkeit einer hunderttausendfachen Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Computern. Ein Anwendungsgebiet, an dem intensiv geforscht wird, ist auch die Untersuchung von Blutproben. Krausz spricht von einem langen Weg, den man hier schon gegangen sei.