Mangas haben vor 40 Jahren begonnen, den deutschen Sprachraum zu erobern – mit „Barfuß durch Hiroshima“ legte der Rowohlt-Verlag den Grundstein für den späteren Siegeszug.
Allein im letzten Jahr wurden 16 Millionen dieser japanischen Comics im deutschen Sprachraum verkauft, mittlerweile macht der Umsatz von Mangas weit mehr aus als jener der klassischen Comics und Graphic Novels aus – 76 zu 45 Millionen Euro im Jahr 2021. „Der erste richtige Hit war ,Akira’ bei Carlsen 1984“, sagt Joachim Kaps, Chef des Manga-Verlages „Altraverse“ und Pionier in diesem Segment. Wie wichtig die japanische Comicform für den Buchmarkt ist, beweist der heutige Manga Day: 1200 Betriebe vom Comicladen bis zur Buchhandlung nehmen in Österreich, Deutschland und der Schweiz daran teil. Der Erfolg im deutschen Sprachraum, vor allem in der jugendlichen Zielgruppe, kam laut Kaps mit „Dragon Ball“ im Jahr 1997: Günstig produzierte Taschenbücher waren für Jugendliche erschwinglich. Der heutige Manga-Day zeigt auch, dass Mangakas (Schöpfer und Schöpferinnen der Comics) aus Deutschland kommen können: Aljoscha Jelineks „Children of Grimm“ ist einer der Titel.
Komische Bilder
Mangas – der Name setzt sich aus den Schriftzeichen „Man“ für komisch und „Ga“ für gezeichnetes/ gedrucktes Bild zusammen – sind ein Massenphänomen und riesiges Franchise geworden: Der mit weltweit über 500 Millionen verkauften Exemplaren erfolgreichste Manga der Geschichte „One Piece“ feiert seit Kurzem auch als Netflix-Serie Erfolge. Während europäische Graphic Novels sich als Kunstform betrachten, haben sich die Mangas zu großen Teilen der Unterhaltung verschrieben. „Sie bieten dynamisch erzählte Geschichten in einer enormen thematischen Vielfalt“, sagt Kaps. Die großen Augen, die strubbeligen Haare und die weit aufgerissenen Münder gehören zu den typischen Merkmalen dieser Erzählform. Sie lassen sich in verschiedene Gruppen wie „Shonen“ (für Jungs) oder „Shojo“ (für Mädchen) einteilen. Was befremdet und für viel Kritik sorgt, ist die teils stark sexualisierte Darstellung von Mädchen mit großen Brüsten und kurzen Röcken, die Kaps jedoch „nicht als Besonderheit von Manga oder japanischen Medien“ sieht. Problematisch ist auch das vor allem bei Frauenfiguren angewandte Kindchenschema.
Eine Geschichte, die ohne Stereotypisierung auskommt, ist die gerade erstmals im deutschen Sprachraum bei Reprodukt erschienene Story „Shunas Reise“ von Hayao Miyazaki, in der sich ein Prinz auf eine abenteuerliche Reise macht, um nach einem verheißungsvollen Getreide zu suchen. Die 1983 erschienene Geschichte des „Studio Ghibli“-Gründers ist auch eine Kritik am Kapitalismus, weil die dargestellte Gesellschaft der Gottmenschen ihren Wohlstand der Ausbeutung von Sklaven verdankt.
Lese-Tipps
Ranking of Kings (Panini Manga) von Sousuke Toka erzählt die in ihrem Kern traurige Geschichte des taubstummen Thronfolgers Bojji, der sich vornimmt der größte König aller Zeiten zu werden. Auch als Anime erfolgreich. Heute als einer von 27 Gratis-Mangas bei teilnehmenden Händlern erhältlich.
Alice in Borderland (Hayabusa Verlag). Spannungsgeladen präsentiert Haro Aso, wie der jugendliche Ryohei sich plötzlich in einem Spiel auf Leben und Tod wiederfindet. Junge Frauen werden stark sexualisiert dargestellt. Auch ein Netflix-Hit.
#DRCL (Hayabusa Verlag). Gelungene Dracula-Adaption mit neuen Ideen. Die Geschichte nimmt auf einem Schiff ihren Ausgang: Stimmig, spannungsgeladen und durchaus erfrischend. Heute als einer von 800.000 im gesamten deutschen Sprachraum verteilten Gratistitel erhältlich.
Star Wars Visionen (Panini Verlag). Auch die Jedi-Ritter gibt es als Manga. Sammelband mit Geschichten der Anime-Serie. Gelungener Star Wars-Manga, der eine westliche Ikone der Popkultur in ein fernöstliches Kleid taucht.
Charon 78 (Altraverse). Die Mangaka Tamasaburo erzählt in dieser deutschen Eigenproduktion die dystopische Geschichte der Charons, die Menschen sicher durch einen Riss bringen, der sich durch die Welt zieht.