Adam wird in der Genesis "als letztes der Geschöpfe in die für ihn bereitete Welt gesetzt", verrät das "Wörterbuch des Christentums". Adam heißt auch der omnipräsente und zugleich rätselhafte Titelheld der Graphic Novel "Deep Me".
Der französische Künstler Marc-Antoine Mathieu, der schon in früheren Werken viel mit Schwarz arbeitete, kommt dieses Mal fast ohne Zeichnungen aus. Nur weiße Sprechblasen tauchen in der ersten Hälfte der Graphic Novel wie die ersten Moleküle aus der Ursuppe des Lebens auf. Wer ist Adam? Liegt er im Koma? Ist ein Unfall geschehen? Leidet er an Alzheimer? Oder ist alles anders ...

Mathieu gelingt eine Geschichte, die Grenzen sprengt und nicht primär die Freude an der grafischen Darstellung feiert, sondern einen hoch spannenden und komplexen Plot aufbaut und einige Überraschungen birgt. Mathieus traumhafte Erzählung von Adam, der in seinen Wachphasen darüber nachdenkt, was ihm passiert sein könnte, reiht sich ein in die Riege der Grenzen überschreitenden Erzählungen, wie es der Italiener Manuele Fior in "Die Übertragung" gemacht hat oder sein Landsmann Gipi in "Eine Geschichte", in der sich ein Mann in seinen Gedanken rhizomartig verliert.

Adam taucht durch die Dunkelheit: Die ersten Gesichter tauchen plötzlich auf © Mathieu/ Reprodukt

"Das Denken ist eine Daseinsform von Materie"

Das Rhizom (ein Wurzelgeflecht) als grafisches Motiv und Metapher für die Synapsen des Gehirnes taucht auch in "Deep Me" auf. "Das Denken ist eine der Daseinsformen von Materie", gibt uns der Autor einen Hinweis darauf, wohin seine Geschichte mäandert. Adam denkt und hört, aber scheinbar hört man ihn nicht.
Vermutlich befinden sich hinter der schwarzen Wand seines Bewusstseins Ärztinnen und Ärzte. Man schwimmt mit dem Protagonisten durch die Dunkelheit, und nach einer komplett weißen Doppelseite (einzig "Adam?" steht darauf) taucht man mit ihm in das Halbdunkel seiner Existenz, die offenbar nur eine Frage ist: Wer ist Adam? Ein freies Radikal (von lateinisch radix: Wurzel) in einer neuen Welt?