Mit einem Schlag sind alle gruseligen Bilder wieder da, und dafür reicht ein Satz: „Noch ein Laut, und ich mache die kalt!“ Da jault der Pawlow’sche Hund laut auf, und man ist mittendrin im Horror einstiger Fernsehabende: „Aktenzeichen XY ... ungelöst“, ein echter Straßenfeger. Von 1967 bis 1997 brachte Eduard Zimmermann via Bildschirm die latente Furcht vor der bösen Welt in die Wohnzimmer.
Regisseurin Regina Schilling nimmt in ihrem Essayfilm „Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann“ (ZDF, 23 Uhr und in der Mediathek) den Säulenheiligen eines der ersten True-Crime-Formate unter die Lupe der Jetztzeit.
Mit nachgespielten Verbrechen wurde die Bevölkerung bei unlösbaren Kriminalfällen um Hilfe gebeten. Wie schon in ihrer Doku „Kulenkampffs Schuhe“, in der sie die Kriegstraumata der deutschen Nachkriegsentertainer aufarbeitete, klopft sie das Weltbild der Protagonisten ab. „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ lieferte, trotz fortschreitender gesellschaftlicher Erneuerung, verlässlich die immer gleichen konservativen Vorurteile in die Wohnzimmer. Schauspielerin Maria Schrader leiht der Erzählerin ihre Stimme, die irgendwann fragen wird: „Hat Eduard Zimmermann uns 30 Jahre ein Märchen erzählt, damit wir Frauen brav zu Hause bleiben?“
Neben der Frage, wie sehr die Sendung das Misstrauen in der Bevölkerung schürte, legt Schilling in ihren Archivrecherchen den Fokus auch auf das transportierte Frauenbild. Nicht wenigen Jugendlichen von damals dürfte heute noch der Horror vor dem Wort „autostoppen“ bis ins Mark eingeschrieben sein. Den Appell richtete er vor allem an junge Mädchen und Frauen: „Angst hat ja auch eine sehr gute pädagogische Wirkung“, sagte der 2009 verstorbene Moderator zu Johannes B. Kerner.
Die Regisseurin filetiert das Thema ausgehend von ihrer persönlichen Prägung durch die Sendung. Und sie legt in verdichteten Zusammenschnitten die Enden der wertkonservativen Welt offen: Prostituierte wurden umschrieben als Frauen mit vielen Männerbekanntschaften. Oder, wie es in der Sendung auch heißt: Homosexuelle würden Beziehungen unterhalten, „die nicht so durchsichtig sind wie bei anderen Menschen in geordneten bürgerlichen Bahnen“. Das zeigt mit dem Blick von heute zumindest auch, dass sich die Welt längst weitergedreht hat.