Rund 70 Zeitungsseiten füllt die ORF.at-Berichterstattung vom 10. Mai. Zu diesem Ergebnis gelangt der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), der mit einer "ORF-Zeitung" seinen Ärger über die Zeitungsähnlichkeit der "blauen Seite" zu Papier brachte. Die Verleger verschickten sie an Politikerinnen und Politiker wie auch die ORF-Geschäftsführung und Stakeholder im Medienbereich.

Laut Gesetz darf die ORF-Berichterstattung schon jetzt nicht vertiefend und zeitungsähnlich sein. Die Realität sieht laut VÖZ aber anders aus, was mit der "ORF-Zeitung", die auch Unterseiten wie science.ORF.at, sport.ORF.at und Bundesländerportale enthält, untermauert werden sollte. "Damit zeigen wir deutlich, dass der ORF als größtes Medienunternehmen Österreichs eine der größten elektronischen Tageszeitungen Österreichs produziert", so VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger gegenüber der APA.

Die Medienhäuser hätten aufgrund der frei zugänglichen, gebührenfinanzierten "blauen Seite" Schwierigkeiten beim Etablieren von Paywalls und Digitalabos, so die Argumentation. ORF.at solle sich eindeutig auf audiovisuellen Content konzentrieren. Kritische Gegenstimmen meinen indes, printdominierte Medienhäuser hätten der Digitalisierung zu wenig entgegengesetzt. Eine Beschneidung von ORF.at – der mit Abstand meistgenutzten Nachrichtenseite des Landes – könne das nicht kompensieren.

Die geplante ORF-Gesetzesnovelle, deren Begutachtungsfrist heute, Donnerstag, endet, sieht vor, dass ORF.at künftig zu 70 Prozent aus Bewegtbildnachrichten und 30 Prozent aus Textnachrichten bestehen soll, wobei die Textbeitragszahl pro Woche auf 350 beschränkt wird. Derzeit sind es laut Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) in etwa 900 Textmeldungen, die 400 Videobeiträgen gegenüberstehen.

Mehrere Stellungnahmen zum Gesetz kritisierten die angedachte Beschränkung der Textnachrichten auf ORF.at. Dem VÖZ geht sie dagegen nicht weit genug. "Die vorgeschlagene Regelung greift zu kurz, weil mit rund 50 Textbeiträgen pro Tag nach wie vor ein zeitungsähnliches Produkt publiziert wird. Wir fordern einen echten Systemwechsel und faire Rahmenbedingungen für die Koexistenz zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien", so Grünberger. Die Überblickberichterstattung müsse einem Rundfunkunternehmen entsprechend aus audiovisuellen Beiträgen bestehen, forderte der VÖZ-Geschäftsführer.

Erneuter Gang zur EU-Kommission

In seiner 36-seitigen Stellungnahme zur Gesetzesnovelle ortet der VÖZ auch eine "unionsrechtswidrige Quersubventionierung von ORF-Presseberichterstattung mit Rundfunkentgelten". In den Jahren 2004 und 2005 haben die VÖZ und der Verband Österreichischer Privatsender bereits bei der EU-Kommission Beschwerde eingelegt. Nachdem die Republik Österreich 2009 eine Reform des Rechtsrahmens angekündigt hatte, wurde das Beihilfenverfahren eingestellt. Wesentlicher Punkt in der Zusage war damals die Regulierung der Online-Dienste, deren Reichweite die EU-Kommission damals als zu weit empfand. Der VÖZ moniert nun, dass diese damals getätigte Zusage nie umgesetzt wurde und sieht eine "erneute Befassung der EU-Kommission mit dem ORF-Gesetz als nunmehr unausweichlich" an.

Über 4000 Stellungnahmen sind bis zum Ende der Begutachtungsfrist für die ORF-Gesetzesnovelle eingegangen, wobei der Großteil von Privatpersonen stammt. Die zahlreichen Stellungnahmen der Privatpersonen kreisen häufig um die Umstellung von der bisherigen gerätegekoppelten GIS-Gebühr auf einen ORF-Beitrag in Form einer Haushaltsabgabe. Viele beschweren sich darüber, dass sie auch, ohne ORF-Programm zu konsumieren, für dieses zahlen müssen. Eine Integralstudie stellte unlängst fest, dass 95 Prozent der Bevölkerung zumindest ein ORF-Angebot nutzen.

Der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) sieht mit dem Gesetzesentwurf eine "Bedrohung für den Fortbestand des privaten Rundfunksektors" gegeben. Umfangreiche Adaptierungen seien notwendig, um den Medienmarkt nicht mit einer "einseitigen Absicherung und Stärkung des ORF" zu schwächen. Gefordert wird eine Videobeschränkung auf der "blauen Seite" und stärkere Werbebeschränkungen für den ORF.  Der VÖP spricht sich zudem für eine Maximalanzahl der Audio- und Videobeiträge auf ORF.at von 300 bis 350 Beiträgen pro Woche aus. Die Online-Bereitstellungsdauer will der Privatsenderverband auf maximal 30 Tage beschränkt wissen.