Gleiches Podium, ähnliches Thema. Einen Monat nachdem Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Klubchefin SigridMaurer verkündeten, dass die ORF-Haushaltsabgabe künftig rund 15 Euro ausmachen werde, konkretisierten sie am Mittwochnachmittag die Rahmenbedingungen für den ORF und damit auch für seine Mitbewerber. Die neue Einigung legt einerseits fest, welche Freiheiten der ORF künftig im digitalen Raum haben soll, und andererseits, wie viel Platz damit der privaten Medienkonkurrenz gelassen wird.

Die Eckpfeiler der ORF-Reform

  • Der ORF-Beitrag wird künftig 15,30 Euro betragen.
  • Die Sieben-Tage-Frist für ORF-Inhalte im Internet fällt – Nachrichten und Sport-Events sind 30 Tage abrufbar, Dokumentationen unbefristet.
  • ORF bekommt die Möglichkeit, Online-Only und -First-Inhalte anbieten zu dürfen.
  • Der ORF darf künftig 350 Textbeiträge pro Woche online stellen.
  • Die "ORF.at"-Beiträge dürfen nicht mehr "zeitungsähnlich" sein.
  • 70 Prozent der Inhalte müssen Bewegtbild sein, nur noch 30 Prozent Texte.
  • Der ORF muss seine Online- und Radio-Werbung einschränken – er verliert rund 25–30 Millionen Euro.
  • In einem jährlichen Transparenzbericht werden die Gehälter der ORF-Angestellten angeführt, teilweise anonymisiert.
  • ORF Sport+ bleibt mindestens bis 2026 bestehen.
  • Das Radio-Symphonieorchester bleibt erhalten.
  • Neues ORF-Programm: Unter anderem ein neues Kinderprogramm soll kommen.

Susanne Raab betont bei der Präsentation, dass es "für die Menschen am Ende des Tages günstiger werden muss". Konkret beträgt die Haushaltsabgabe, die künftig von (fast) allen Haushalten bezahlt werden muss, 15,30 Euro, gültig ab 2024, für drei Jahre fixiert. Nebenwohnsitze sind ausgenommen, Unternehmen zahlen gestaffelt. Zwei Beispiele führt die Medienministerin an: Firmen mit 50 Mitarbeitern zahlen für einen ORF-Beitrag, Firmen mit 100 Mitarbeitern zahlen zwei ORF-Beiträge.

Der ORF erhält durch die Digitalnovelle mehr Möglichkeiten im Internet: Er darf eigene Online-Inhalte produzieren und seine Sendungen länger online anbieten: Nachrichten und Sportsendungen 30 Tage lang, Dokumentationen unbegrenzt. Sigrid Maurer betont, den ORF damit ins 21. Jahrhundert zu bringen. Für sie war wichtig, „die Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass es bestmöglich ist, den öffentlich-rechtlichen Auftrag wahrzunehmen“.

Im Gegenzug muss ORF.at, die meistgenutzte Nachrichtenseite in Österreich, Beschränkungen in Kauf nehmen: 70 Prozent des Angebots ist künftig Bewegtbild (Videos) sein, 30 Prozent Text. Gleichzeitig wird die Zahl der Textbeiträge pro Woche auf 350 beschränkt.

Das verdienen die Topverdiener im ORF

VÖZ kritisiert "Fehlentwicklung"

Sehr kritisch wird das Ergebnis vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) gesehen. "Aufgrund der dominanten Marktposition des ORF in vielen Bereichen – insbesondere als Marktführer im Digitalbereich – droht bei einer ungebremsten Ausweitung seiner digitalen Möglichkeiten ein massiver Einschnitt in der heimischen Medienvielfalt", sagt VÖZ-Präsident Markus Mair. "Bei der Gesetzwerdung sind die politischen Akteure dazu angehalten, die gesamte österreichische Medienlandschaft im Auge zu behalten und für einen fairen Interessenausgleich zu sorgen." Entsprechend fordert der VÖZ weitere Gespräche im Zuge des Begutachtungsverfahrens. Der VÖZ betont, dass es mit dem Medienministerium keine Verhandlungen über die ORF-Novelle und entsprechend auch keine Einigung gab.

Kritisch fielen auch die Reaktionen der Opposition aus. SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried ortete massive Schwächen und insgesamt eine vertane Chance. Es fehle ein Zukunftskonzept über die Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, meinte er. Bei der Haushaltsabgabe vermisste er eine soziale Staffelung. Auch von der FPÖ kam ein "klares Nein zur ORF-Zwangssteuer". Darüber hinaus führe die Digitalnovelle zu einer Besserstellung des ORF gegenüber privaten Medienunternehmen, wodurch die Medienvielfalt bedroht werde, so FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker. Sein NEOS-Gegenüber Henrike Brandstötter vermisste eine Schärfung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags und kritisierte, dass die Regierung sich gegen eine Gremienreform, gegen die Abschaffung der Landesabgabe und gegen die Abschaffung des Anhörungsrechts der Landeshauptleute entschieden habe.

Warnung vor "Massenvernichtungswaffe für den österreichischen Medienmarkt"

Der VÖZ und seine Mitglieder hatten vorab massive Bedenken geäußert, dass die Gratisseite "ORF.at" den Markt massiv verzerren und private Medien existenziell gefährden würde.

Zuletzt hatte "Standard"-Geschäftsführer AlexanderMitteräcker im "Kurier"-Interview vor einer "Massenvernichtungswaffe für den österreichischen Medienmarkt" namens "ORF.at" gewarnt. VÖZ-Geschäftsführer GeraldGrünberger sprach im "Presse"-Interview von einem "dramatischen Kollaps" und einem "Kahlschlag", der dem Medienstandort Österreich drohe.

Der ORF ist mit rund einer Milliarde Euro das größte und mächtigste Medienunternehmen im Land, zwei Drittel der Einnahmen stammen aus dem Programmentgelt (Teil der GIS), ein Drittel ergibt sich aus Werbung und sonstigen Einnahmen.