ORF-Generaldirektor Roland Weißmann lässt die Nebenbeschäftigungen von ORF-Journalisten und -Moderatoren restriktiver handhaben. Das geht aus einer internen Mitteilung hervor, die der Austria Presse Agentur vorliegt. So sind Nebenbetätigungen bei Kammern, politischen Institutionen und parteinahen Interessensvertretungen bis auf Weiteres von den Verantwortlichen abzulehnen. Alle weiteren Tätigkeiten abseits des ORF sollen derzeit "besonders restriktiv" geprüft werden.
Damit reagiert Weißmann auf in den letzten Wochen bekannt gewordene Fälle von Moderationen, die "geeignet waren, in der Öffentlichkeit den Zweifel mangelnder Unabhängigkeit zu erwecken", heißt es in dem Schreiben. Dass Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit von existenzieller Bedeutung für den ORF seien, gelte derzeit jedoch mehr denn je, so der ORF-Chef.
Die Bestimmungen haben vorübergehend bis zum Vorliegen der Erkenntnisse einer Ethikkommission Gültigkeit. Diese nimmt ihre Arbeit demnächst auf, um etwa die bestehenden Regularien wie den Verhaltenskodex des ORF zu überprüfen und gegebenenfalls Nachschärfungen anzuregen.
Für Aufsehen sorgte etwa Robert Ziegler, der vor wenigen Tagen seine Tätigkeit als ORF-NÖ-Landesdirektor wegen des schweren Vorwurfs, in seiner Zeit als NÖ-Chefredakteur eine Art Message Control zugunsten der Volkspartei betrieben zu haben, zur Verfügung stellte. Wie die Rechercheplattform "Dossier" berichtete, soll er mehrmals Veranstaltungen ÖVP-naher Interessensvertretungen wie der Wirtschaftskammer Niederösterreich moderiert haben. Nadja Mader, die etwa "Niederösterreich heute" im ORF präsentiert, moderierte u. a. für die Wirtschaftskammer und Raiffeisen, schrieb der "Falter". Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach auf ihrer Webseite eine Empfehlung für sie aus.
Vera Russwurm, Moderatorin von "Vera" im ORF, moderierte im Jänner den Wahlkampfauftakt der ÖVP Niederösterreich. Allerdings war diese Nebenbeschäftigung vonseiten des ORF aufgrund ihres geringen Beschäftigungsverhältnisses als nicht programmgestaltende Freie Mitarbeiterin im Unterhaltungsbereich nicht genehmigungspflichtig, wie der ORF gegenüber dem "Standard" festgehalten hatte.