Robert Zieglers Rückzug als Direktor des Landesstudios in St. Pölten hat dem Bericht der Evaluierungskommission die unmittelbare Brisanz genommen. Was in dem Dokument steht, das die Kommission heute Generaldirektor RolandWeißmann übergeben hat, ist nicht bekannt: "Der Bericht war als Entscheidungsgrundlage immer ausschließlich für Generaldirektor Weißmann bestimmt, von Beginn an wurde allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Vertraulichkeit und Anonymität zugesichert, daran wird natürlich festgehalten", heißt es auf Anfrage in einem Statement des ORF.

Mehr als 50 Gespräche hatte das siebenköpfige Team unter der Leitung von GerhardDraxler seit Dezember geführt. Was die Kommission erfuhr, dürfte die Vorwürfe bestätigt haben, dass Ziegler im Landesstudio die journalistische Freiheit der Redakteure im Sinne der niederösterreichischen ÖVP beeinträchtigt hat. Ziegler gab nach der niederösterreichischen Landtagswahl dem Druck nach und bot seinen Rücktritt an. Weißmann nahm ihn an.

Derzeit leitet Ingrid Thurnher das Landesstudio interimistisch. Wie lässt sich diese Tätigkeit mit ihren Aufgaben als Radiodirektorin koordinieren? Thurnher gegenüber der Kleinen Zeitung: "Natürlich habe ich schon als Radiodirektorin einen vollen Terminkalender. Aber der ORF Niederösterreich hat ein sehr gutes Führungsteam und sehr kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gemeinsam werden wir das bis zur Nachbesetzung gut managen."

Wie lange sie in St. Pölten gebraucht wird? "Das werden wir sehen", sagt die ehemalige Chefredakteurin von ORF III. Laut "Kleine"-Informationen erfolgt die Ausschreibung für die Ziegler-Nachfolge in den nächsten Tagen.

Gerhard Draxler hatte gegenüber der Kleinen Zeitung angekündigt, dass der Bericht eine Art Benchmark für die künftige Arbeit in Redaktionen sei: "Wir haben hier Standards gesetzt, hinter die keine Redaktion des ORF mehr zurückfallen wird." Das betreffe die Freiheit der journalistischen Arbeit ebenso wie den korrekten Umgang mit Menschen. Für Draxler, der die Bedeutung von unabhängigem Journalismus für liberale Demokratien betont, steht die Glaubwürdigkeit des ORF auf dem Spiel – "eine Glaubwürdigkeit, die tagtäglich erarbeitet werden muss".