Heuer fügt es sich besonders gut – denn der 24. Dezember ist der 185. Geburtstag der bayerischen Prinzessin, die den österreichischen Kaiser Franz Joseph heiratete und so auf den Thron einer europäischen Großmacht kam. Die zweite Tochter des Herzogs Max in Bayern kam nicht nur als "Christkind" auf die Welt, sondern auch an einem Sonntag. Den Geburtstag feiert der ORF mit der alten "Sissi-Trilogie" mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm, um gleich darauf die neue, zweite Staffel der Serie "Sisi" nachzulegen.

Da passt es wie ein exzellentes Puzzleteil, dass just zwei Tage vor dem Geburtstag der Monarchin die Erfolgsmeldung kam, dass der österreichische Film "Corsage" von Marie Kreutzer die Oscar-Vorrunde erreichte und nun zu den fünfzehn Kandidaten für den Preis gehört.
Die blutjunge Sisi, drangsaliert von der Schwiegermama, gequält mit dem spanischen Hofzeremoniell, eine Mutter, die um ihre Kinder kämpft, aus dem Korsett des Wiener Hofs ausbricht und in die Ferne flieht, eine Vorkämpferin für mehr Selbstbewusstsein der damals unterjochten Frauen – das macht sich nicht nur filmisch gut, sondern prägte und prägt seit Jahrzehnten das Bild der Monarchin. Das tatsächlich ein ganz anderes ist. "Alles, was ich tue, tue ich für dich, Franz", schmachtet die schönheitsbewusste Kaiserin in der neuen "Sisi"-Staffel, die zumeist abseits der Fakten lustwandelt. "Und was tust du für dich?", fragt der Kaiser. Nun, die Antwort könnte relativ einfach ausfallen, nahezu alles tat sie eigentlich nur für sich, die Sisi.


In der Realität freilich scherte sich der Herzog aus einer unbedeutenden Nebenlinie der Wittelsbacher herzlich wenig um die Familie. Er reiste durch die Welt, versuchte sich als Kunstreiter in einer Zirkusmanege und pflegte zahlreiche Liebschaften. "Sisis Papa – ein Playboy mit Fehl und Adel", titelte die deutsche Tageszeitung "Welt" vor sechs Jahren ihre Besprechung einer Biografie über den Herzog.
Zu den wenigen Richtigkeiten in den Darstellungen in den filmischen Verklärungen gehört der Umstand, dass die Verbindung von Sisi und Franzl eine Liebesheirat war, im April 1854 in Wien. Sie noch keine 17 Jahre alt, er rund sieben Jahre älter. Die böse Schwiegermama ist nicht mehr als eine Mär. Erzherzogin Sophie, eine Tante der nun jungen Kaiserin, übernahm die Aufgabe, ihre Nichte mit dem Hofzeremoniell und den Pflichten der Frau des Kaisers vertraut zu machen.

Elisabeth mutierte abseits des Protokolls zur Stilikone, sie ließ sich in Korsetts einschnüren, um ihre Taille zu betonen, dafür strapazierte sie ihren Körper mit Diäten, nahm manchmal nur ausgepressten Fleischsaft als Mahlzeit zu sich. Zur Pflege der Haut legte sie dünn geklopftes Kalbfleisch auf. Ihre Räumlichkeiten in Schönbrunn erhielten eine Ausstattung mit Sportgeräten, wie die heute noch zu sehenden Ringe im Türrahmen. Stunden wendete Elisabeth für die Pflege ihrer prächtig wallenden Haare auf.

Kaiserin Elisabeth und Kaiser Franz Joseph hoch zu Ross
Kaiserin Elisabeth und Kaiser Franz Joseph hoch zu Ross © ÖNB-Bildarchiv / picturedesk.com

Ihre Kinder, um deren Betreuung sie sich angeblich mit der Schwiegermama so stritt, waren dann doch nicht so wichtig. Denn ohne sie begann die Kaiserin nur vier Jahre nach der Geburt von Sophie und zwei Jahre nach der von Kronprinz Rudolf eine fluchtartige Reisetätigkeit. Nach Madeira, Korfu, später reiste die begeisterte Reiterin nach England und Irland. Dazwischen entdeckte sie die Zuneigung zu den rebellischen Ungarn, förderte die Aussöhnung zwischen den Magyaren und dem Franzl, die in einem Ausgleich 1867 und der Krönung in Budapest mündete.

Zwischendurch beehrte die Kaiserin mit dem einen und anderen Stelldichein den Wiener Hof, führte die Schauspielerin Katharina Schratt dem Kaiser zu (der sich ohnehin schon auch anderen Liebschaften hingab), schwärmte von Griechenland, lernte Altgriechisch und baute ein Schloss, das Achilleion, auf Korfu.
Womit der Zeitpunkt gekommen ist, einen Blick auf das Finanzielle zu werfen. Als Prinzessin einer Wittelsbacher Nebenlinie hätte sich Elisabeth dieses Luxusleben nie und nimmer leisten können. Wie die Historikerin Kathrin Unterreiner vorrechnete, erhielt die Gemahlin des Kaisers als "Spielgeld" jährlich rund drei Millionen Euro. Dann erhielt sie von ihrem Franz Joseph noch zwei Millionen Euro aktueller Rechnung geschenkt. Die Reisen wie auch den Bau ihres Schlosses bezahlte sie nicht aus ihrer Kasse, sondern dafür musste der Franzl zusätzlich aufkommen. "Sisi" legte ihr Geld lieber in der Schweiz an und hinterließ bei ihrem Tod umgerechnet 144 Millionen Euro.

All das Geld linderte jedoch nicht den Schrecken des Alters, der die Kaiserin erfasste. Auch nicht den Schmerz nach dem Selbstmord des Sohnes Rudolf. Sie versteckte ihr Gesicht hinter einem Fächer, verbot Fotografien, achtete nach wie vor penibel auf ihre Wespentaille.
War das Leben der "Sisi" schon ungewöhnlich, so war es auch ihr Tod: erstochen vom italienischen Anarchisten Luigi Lucheni am Hafen von Genf. Das schreckliche Ende der jahrzehntelangen Reise einer rastlosen Egomanin. In Erinnerung aber bleibt die junge "Sisi", mit den funkelnden Diamantsternen im Haar. Und die süßen Erzählungen der Filmindustrie.