Zumindest in einem Punkt hat sich das Schulfernsehen bis ins Heute erhalten: Wer mit Russisch, Französisch oder Englisch im ORF-Vormittagsprogramm aufwuchs, kann sich meist sehr detailliert an die Settings erinnern. Vor allem, was die Russisch-Sendung mit Lisa Schüller betrifft, die noch mit Kreide an der Tafel die Vokabeln notierte. Von 1964 bis in die 1990er-Jahre gab es das Schulfernsehen im ORF. Augenscheinlicher wurde das Wort Bildungsauftrag wohl nie umgesetzt.
In der Debatte rund um die ORF-Finanzierung taucht dieses Wort auch wieder vermehrt auf: Bildungsauftrag. Das mag ein wenig sperrig klingen, aber hat an seiner Wichtigkeit nichts eingebüßt. Ganz im Gegenteil, wie Petra Herczeg, Vizestudienprogrammleiterin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, betont: „Ich glaube, dass der Bildungsauftrag immer wichtiger wird, denn die mannigfaltigen Kommunikationstechnologien führen zu massiven Veränderungen in der Mediennutzung.“
Ob Wissenschaftsskepsis oder fehlendes Wissen über Demokratieverständnis, es gehe vor allem auch darum, Kompetenzen zu erlernen: „Wissen und Bildung ermöglicht immer auch einen Zugang zu weiteren Informationen.“ Eine Aufgabe, die nicht nur dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zufallen würde, sondern auch anderen Medien. Was Herczeg hier grundsätzlich betont: „Man muss weg von dieser Gratiskultur. Es muss sich verstärkt im Bewusstsein der Menschen festsetzen, dass Informationen etwas kosten.“
Welche Aufgaben ein zeitgemäßer öffentlich-rechtlicher Rundfunk erfüllen sollte, konkretisiert Kommunikationsexperte und ORF-Publikumsrat Matthias Karmasin: „Vermittlung von Demokratieverständnis, Medienkompetenz und auch Wissenschaftsverständnis, das sind ganz wichtige Aufgaben, die zu den journalistischen Kernaufgaben der Kontrolle und Kritik sowie der Einordnung und Kontextualisierung zählen.“ Ist von zeitgemäß die Rede, darf man auch Social Media nicht außer Acht lassen, sagt Petra Herczeg: „Die Frage ist: Inwiefern kann sich hier ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk in diesem Kontext weiterentwickeln und was wird an Inhalten und Angeboten zu Verfügung gestellt, die einem gewissen Gemeininteresse dienen?“
Doch wie gelingt der Spagat zwischen dem Bildungsauftrag und der Unterhaltung, die ebenfalls eingefordert wird? Erst Ende September wurden im Publikumsrat zwei Studien präsentiert, dass sich das ORF-Publikum mehr Unterhaltung wünsche. Matthias Karmasin sieht hier keinen Ausschlussgrund: „Ich würde die Diskussion überhaupt nicht so eng führen, einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer nur auf die Information und die Kontroll- und Kritikfunktion zu beschränken. Qualitätsvolle Unterhaltung ist ein ganz wichtiger Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“
Was Karmasin zusätzlich zu bedenken gibt, ist die sehr spezifische Situation des österreichischen Medienmarktes, der, anders als Länder wie Finnland oder Dänemark, keine sprachliche Abschottung vorweist. Österreich hat ob des großen deutschsprachigen Raumes „einen sehr großen Einstrahleffekt, aber die werden halt wahrscheinlich nicht rasend viel österreichische Produktionen in Auftrag geben.“ Unterhaltung, Kultur, aber auch Sport mit typisch österreichischer Konnotation werde man wohl auch über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk organisieren müssen. „Und da geht es nicht nur um demokratische Wertschöpfung, sondern auch um die Kreativwirtschaft, die am ORF hängt“, gibt der Medienexperte zu bedenken.
Da hat sich Filmproduzent Karl Spiehs früher mit seinem Blick auf die Dinge leichter getan: Er habe „keinen Bildungsauftrag“, sondern wolle „Unterhaltung produzieren“, erklärte er einmal in einem Interview.