Im Dezember 2003 trug sich im australischen Bundesstaat Queensland am helllichten Tag ein schreckliches Verbrechen zu. Während er sich auf dem Weg in ein Einkaufszentrum befand, wurde der dreizehnjährige Daniel Morcombe entführt und in späterer Folge kaltblütig erdrosselt.
Sein Peiniger, der heute 53-jährige Brett Peter Cowan, konnte erst viele Jahre später ausfindig gemacht werden. Um den Kindesmörder rechtmäßig hinter Gittern zu bringen, wurde damals eine komplexe Undercover-Ermittlung in die Wege geleitet. Mehrere Polizisten gaben vor, einem in Wahrheit nicht existenten Verbrechersyndikat anzugehören und inszenierten eine Reihe von kriminellen Delikten. Der Plan: das Vertrauen des Täters zu gewinnen und ihm ein Geständnis zu entlocken.

Von den tatsächlichen Ereignissen ließ sich Regisseur Thomas M. Wright für sein bedrückendes Thriller-Drama "The Stranger" inspirieren. Sämtliche Namen wurden aus Respekt vor den Hinterbliebenen der Tragödie geändert. Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine vorgetäuschte Männerfreundschaft, aus der sich eine aufrichtige Bindung herauskristallisiert.

Zwei Männer kommen während einer Busfahrt ins Gespräch. Paul (Steve Mouzakis) bietet dem ziellosen Henry (Sean Harris: unheimlich und doch voller Menschlichkeit), der kein Hehl aus seiner kleinkriminellen Vergangenheit macht, einen Job an – keinen der legalen Sorte. Dieser unscheinbare Auftakt entpuppt sich nach wenigen Minuten als der Beginn einer minutiös geplanten Undercover-Mission.

Bald betritt nämlich Polizist Mark (Joel Edgerton in einer herausragenden Darbietung) als vermeintliche Kontaktperson die Bildfläche, dem eine schwierige Aufgabe zugewiesen wurde. Als verdeckter Ermittler soll er dem des Mordes bezichtigten Henry näher kommen. Tatsächlich entwickelt Mark aber Sympathien für den Mann, den er eigentlich zu Fall bringen soll.

Der Film kommt in seiner Erzählung angenehm unpathetisch und authentisch daher. Auf manipulative Stilmittel wird weitgehend verzichtet: Die Inszenierung bleibt nüchtern, die Suspense baut sich schleichend, dafür umso effektvoller auf. Die Darstellung der Figuren rutscht nie ins Karikatureske. Die innere Zerrissenheit des Protagonisten, der den Wert seiner eigenen Arbeit zu hinterfragen beginnt, wird glaubhaft aufgeschlüsselt. Trotz eines überlangen dritten Akts bleibt die ungewöhnliche Mischung aus Detective-Thriller und moralisch aufgeladenem Charakterdrama bis zur letzten Minute spannend. Ein Geheimtipp für Fans von Crime-Thrillern mit unbequemer, soghafter Atmosphäre.

**** Auf Netflix