Äußerlich bewahrt er Haltung. Er steht stramm, lächelt nett. Innerlich brodelt es, wenn ihm seine Vorgesetzte, eine Frau, die Leviten liest: Hauptmann Kessler (bösartig gut: Ex-007-Böseweicht Götz Otto) hasst Frauen und Politik, die Gleichstellung fördert. Der neue "Tatort: Das Verhör" drängt in zwei, möchte man glauben, Männerdomänen vor. Aber im Fernsehen ist besser: Sowohl beim Heer als auch bei der Polizei haben Frauen das sagen. Sehr zum Missfallen mancher.
Eigentlich hätte Kessler nur als Zeuge in einem grausamen Fall von Femizid, bei dem eine Investmentbankerin lebendig verbrannte, aussagen sollen. Ein Motiv hat er nicht, er war zur Tatzeit beim Angeln. Dem letzten Rückzugsort für Männer, wie er sagt. Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) aber fühlt sich sofort von ihm getriggert, da kann er sie noch so staatstragend anflirten. Bald sitzen sie sich im Verhörraum gegenüber. Auch ohne Beweise ist für sie klar: Dieser Steinzeit-Macho ist ihr Mann. Weil: "Männer jenseits ihres Bedeutungszenits sind brandgefährlich." Beweisen muss sie nur noch. Und das erweist sich im Fall "Das Verhör" als gar nicht so leicht. Denn der Mann weiß, wie man falsche Fährten legt, sorgfältig arbeitet und seine Spuren verwischt. Die Zeit drängt, als eben die Vorgesetzte spurlos verschwindet. Es kommt – ein bewährtes Motiv im Sonntagabendkrimi – zum Wettlauf mit der Zeit.
Den Nahkampf mit bösen Buben beherrscht die dienstälteste "Tatort"-Ermittlerin Odenthal seit Ewigkeiten, an die Nieren geht ihr sein unbändiger Hass auf Frauen dennoch. Und es wird persönlich. Für ein paar Infos zur Entführten nimmt Odenthal sogar eine Erniedrigung in Kauf. Obwohl die kammerspielartigen Szenen großes Fernsehkino sind, kommt der neue "Tatort" (Regie: Esther Wenger, Buch: Stefan Dähnert) nicht recht in Gang. Vielleicht, weil das Heer so friedlich und gleichberechtigt dargestellt ist, wie es Kanzler Scholz gerne hätte.